Meinung Kutschatys Aufgaben als Landeschef der SPD

Es gehört zu den Wesensmerkmalen von Politik, dass die Zeit über ehemalige Alphatiere mit ihrer Ablösung viel schneller hinweggeht, als deren Nachfolger es selbst fassen können. Das ist am Dienstag wieder deutlich geworden, als Thomas Kutschaty seine durchaus überraschende Wahl zum Oppositionsführer im NRW-Landtag zwar genossen hat, sich aber noch nicht dazu hinreißen ließ, gleich noch bekannt zu geben, im Juni beim Parteitag in Bochum auch SPD-Landeschef werden zu wollen.

Foto: Sergej Lepke

Dabei liegt das Vakuum wieder direkt vor ihm, wie schon im Mai 2017, als er zögerte, gegen den Fraktionschef Norbert Römer zu kandidieren: Die von den Altvorderen Michael Groschek und Norbert Römer ausgelobte Lösung mit Sebastian Hartmann hat in der neuen Gemengelage wohl nur wenig Chancen auf lange Haltbarkeit. Kutschaty könnte diese Stimmung ausnutzen, weiß aber zugleich um die Sehnsucht der Partei um mehr Eigenständigkeit — und könnte deshalb eine von ihm ausbalancierte Lösung im Sinn haben, die ihm zum späteren Zeitpunkt alle Möglichkeiten auf Ämtervereinigung lässt.

Klar ist auf der anderen Seite nämlich auch, dass Kutschaty in seiner Rolle des Rebellen zwar manchen Nerv in der Fraktion getroffen haben mag, dass er aber auch vielen kräftig vor den Kopf gestoßen hat. So etwa in Berlin, wo Noch-Landeschef Groschek der NRW-SPD zuletzt zu guter Geltung verholfen hatte, Kutschaty sich aber mit seiner starren Anti-Groko-Haltung keine Freunde gemacht hat. Wenn die NRW-SPD auch in Berlin eine starke Stimme sein will, wird Kutschaty diese Gräben zuschütten müssen.

Noch wichtiger ist es aber, jetzt im NRW-Landtag zu überzeugen. Die SPD-Fraktion war zuletzt eher ein leidlich ernst genommener Haufen von Orientierungslosen, ein Tanker, der — wie Sarah Philipp gestern sagte — schwer von Regierung auf Opposition umzulenken gewesen sei. Genau das ist die Aufgabe: Jetzt zählt der Inhalt, nicht mehr die Personen.