Meinung Nahles droht ein Marathon politischer Niederlagen

Die Situation, in der Andrea Nahles als erste Frau in der Geschichte der SPD den Bundesparteivorsitz übernimmt, ist noch schlimmer als die, in der Hannelore Kraft 2006 Chefin der NRW-SPD wurde: Nach der verlorenen Landtagswahl 2005 hatte Harald Schartau mit dem gesamten Landesvorstand die Brocken hingeschmissen, dann versuchte sich Jochen Dieckmann ein glückloses Jahr an der Trümmerbeseitigung, erst dann durfte Kraft ran — zunächst von allen unterschätzt, aber schließlich erfolgreich gegen ein regierungsentwöhntes schwarz-gelbes Bündnis.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Nahles hat keine Chance, irgendwen zu überraschen. Sie mischt seit mehr als zwei Jahrzehnten an der politischen Spitze mit, ihre Qualitäten (und Schwächen) sind bekannt. Als Fraktionschefin bleibt sie Teil des Koalitionsgefüges. Sie kann auch nicht als „erste Frau“ punkten; in dieser Hinsicht ist bloß die FDP noch langsamer als die SPD.

Und dass ihr Amtsvorgänger sich nicht enthalten konnte, den Parteitag für eine Rede zu nutzen, die noch einmal allen vor Augen führt, wie elend es um die SPD bestellt ist, wird nicht einmal Nahles selbst als Startvorteil empfinden. Das einst „schönste Amt nach Papst“ (Franz Müntefering) ist aktuell so attraktiv wie die Leitung der griechischen Staatsbank.

Wahrscheinlich liegt vor Nahles ein Marathon der Niederlagen. Am 14. Oktober findet die Landtagswahl in Bayern statt, am 28. Oktober wird der Landtag in Hessen gewählt. Im Mai 2019 ist die Europawahl, ab dem Sommer sind Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen; dazwischen sind noch Kommunalwahlen in Baden-Württemberg, Hamburg, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Und jedes dieser Wahlergebnisse wird zum Maßstab genommen werden, was bei der „Erneuerung“ der SPD herauskommt, und damit zum Arbeitszeugnis für Nahles.

Erneuert sich die Partei zur Zufriedenheit ihres unbelehrbaren Mitgliederteils dahingehend, dass sie in einigen Bundesländern dauerhaft die Zweistelligkeit verliert, oder erneuert sie sich in Richtung erfolgreicher Wähleransprache?

Das Wahlergebnis von nur 66,35 Prozent für Nahles zeigt, dass die Vorsitzende ihre Partei unverändert nicht hinter sich wissen kann, zumal diese es am Sonntag unverzichtbar fand, am Ende des Parteitags statt der Wahl von Andrea Nahles den Abschied von Martin Schulz zu feiern, und ihm dazu noch einmal das Wort erteilte.