Rente: Das Gespenst der Altersarmut
Der Sparsame ist oft der Dumme: Für die Grundsicherung im Alter werden nicht nur Riester-Bezüge verrechnet.
Düsseldorf. Ulrich Schneider, Chef des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, ging am Dienstag mit einer alarmierenden Berechnung an die Öffentlichkeit: Bereits im Jahr 2022 sinke die Durchschnittsrente auf das Niveau der Grundsicherung (vormals Sozialhilfe im Alter). "In 15 bis 20 Jahren werden bis zu 20 Prozent der Bevölkerung arm sein, wenn wir nicht massiv gegensteuern", sagte Schneider dem ARD-Wirtschaftsmagazin "Plusminus". Zu ähnlichen Ergebnissen kommt das Institut für Wirtschaft und Gesellschaft (IWG) in Bonn.
Die drohende Altersarmut in Deutschland dürfte zu einem zentralen Debattenthema des Jahres 2008 werden: Waren die Perspektiven einer alternden Gesellschaft in den Demografie-Diskussionen der vergangenen Jahre eher abstrakt geblieben, liefern Rentenforscher mittlerweile präzise Hochrechnungen über den schrumpfenden Wohlstand im 21. Jahrhundert.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband fordert von der Politik ein Umdenken. "Wir haben das große Problem, dass die Vorsorge auf die Altersgrundsicherung angerechnet wird", sagt Ulrich Schneider. "Der Anreiz, Vorsorge zu betreiben, ist damit gleich null." Menschen brauchten die Sicherheit, dass ihnen ihre private Vorsorge nach Renteneintritt "nicht einfach wieder weggenommen wird."
Tatsache ist: Nicht nur die Riesterrente wird im Fall einer späteren Grundsicherung verrechnet. Auch Lebensversicherungen, private Rentenpläne, Betriebsrenten oder "Omas kleines Häuschen" zählen zur Verfügungsmasse.
Beispiel: Liegt die gesetzliche Rente eines Ruheständlers bei 400 Euro, dann stockt der Staat den Betrag um 260 Euro auf 660 Euro Grundsicherung auf. Erhält der Betroffene aber zusätzlich eine private Zusatzrente von 50 Euro, bezahlt ihm der Staat nur noch 210 Euro. Fazit: Wer in diesem Fall gespart hat, um der Altersarmut zu entkommen, ist der Dumme.
Nicht nur Geringverdiener tappen in die Falle: Nur wer über 1900 Euro brutto im Monat verdient und mindestens 35 Jahre in die "Gesetzliche" einzahlt, kommt in den Genuss seiner kompletten Ersparnisse. Wer weniger verdient, muss mit zum Teil deutlichen Abzügen rechnen, Geringverdiener gehen leer aus.
Lebensunterhalt: Seit dem Jahr 2003 gibt es eine neue eigenständige Sozialleistung: die bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter. Sie soll das Existenzminimum von Rentnern sicherstellen, deren Einkünfte für den Lebensunterhalt nicht ausreichen.
Angehörige: Anders als bei der alten Sozialhilfe werden unterhaltspflichtige Angehörige bei der staatlich finanzierten und von den Sozialämtern der Kommunen ausgezahlten Grundsicherung erst oberhalb eines Einkommens von 100000 Euro zur Kasse gebeten.
Zahlen: Ende 2003 bezogen 439000 Personen Leistungen der Grundsicherung, Ende 2006 waren es 682000 Personen (eine Erhöhung von 55,4 %). Die Grundsicherung lag im Jahr 2006 bei rund 627 Euro im Monat.