Babylonische Sprachverwirrung um Erziehungscamps in NRW
Nach den Irritationen um die Erziehungscamps will die Koalition wieder in ruhigeres Fahrwasser kommen.
<strong>Düsseldorf. Die Begleitmusik zu seiner Jahresauftakt-Pressekonferenz hätte sich Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) sicherlich harmonischer vorstellen können. Anstatt den Blick auf das neue Jahr zu richten, musste er sich am Dienstag Fragen zum heißen Eisen Erziehungscamps stellen, nachdem das neue Jahr bereits im Kommunikations-Desaster versunken war. Nach den negativen Schlagzeilen war Schadensbegrenzung angesagt: Rüttgers und der Koalitionspartner FDP zeigten sich in der Sache einig. Vom emotional aufgeladenen Begriff der Erziehungscamps wollte aber so richtig keiner mehr etwas wissen. Ja, es habe Verwirrung gegeben, und ja, dies sei auch ärgerlich, räumte der Regierungschef ein. Das Hin und Her bei dem Thema erklärte er mit unterschiedlichen Auslegungen des Begriffs Erziehungscamp. An solchen "semantischen Auslegungsfragen" wolle er sich aber nicht beteiligen. "Ich bin hier als Ministerpräsident angestellt und nicht als Dichter", stellte er fest. Nie habe aber jemand beschlossen, dass es in Nordrhein-Westfalen Camps nach US-amerikanischen Vorbild geben solle. Die Interpretation des Koalitionspartners FDP sah etwas anders aus. Der rechtspolitische Sprecher Robert Orth lehnte erneut den Begriff "Erziehungs- camp" ab, weil dieser gerade an die Straflager in den USA erinnere. Auch habe die CDU mit ihrem ursprünglichen Konzept den Eindruck erweckt, dass es "auf Härte, Zwang und Drill" ankomme. Nun aber, so Orth weiter, seien die Christdemokraten mit dem Projekt in Bedburg-Hau auf liberale Linie eingeschwenkt. "Ein Krankenwagen bleibt ein Krankenwagen - auch wenn man ihn als Panzer bezeichnet", so der Politiker.
Der Ministerpräsident ging erst gar nicht auf die Argumentation der Liberalen ein. In der Sache helfe die Diskussion um den Begriff nicht weiter, inhaltlich gebe es keinen Dissens zur FDP. Auch für Jugendminister Armin Laschet (CDU), der nach den Informations-Pannen in die Kritik geraten war, entspannte sich die Lage. Die CDU-Landtagsfraktion unterstützte den Minister in der gestrigen Sitzung.
Konzept Die nordrhein-westfälische FDP-Landtagsfraktion hat gestern ein Fünf-Punkte-Programm zum Kampf gegen die Jugendkriminalität beschlossen. Es steht unter dem Titel "Erziehungshilfe statt Erziehungs- camps".
Keine Camps In dem Papier sprechen sich die Liberalen deutlich gegen den Begriff des Erziehungs- camps aus, weil dieser mit den umstrittenen Einrichtungen in den USA in Verbindung gebracht werde. Diese Camps operierten nach der Philosophie, dass zunächst der Wille der jugendlichen Straftäter gebrochen werde, um diese dann später wieder aufzubauen.
Erziehungshilfe Die Liberalen unterstützen das Projekt "Ausblick" in Bedburg-Hau und betonen, dass beim Umgang mit straffälligen Jugendlichen der erzieherische Gedanke im Vordergrund stehen müsse. Zudem müsse die Teilnahme immer freiwillig sein.
Jugendstrafe Eine Heraufsetzung der maximalen Jugendstrafe von zehn auf 15 Jahre lehnt die FDP ab. Stattdessen soll auch bei Heranwachsenden im Alter zwischen 18 und 21 Jahren konsequent das Erwachsenenstrafrecht angewendet werden. Bislang kann bei Betroffenen dieses Alters auch das Jugendstrafrecht angewandt werden.