Renten: Merkel lehnt Rüttgers-Vorstoß ab

Gegen die Forderung des CDU-Politikers formiert sich breiter Widerstand.

Berlin/Düsseldorf. Jürgen Rüttgers ist Widerstand gewohnt. Als der CDU-Politiker den Vorschlag machte, die Bezugsdauer des ArbeitslosengeldesI für Ältere zu verlängern, schlug ihm eine Welle der Empörung auch aus der eigenen Partei entgegen. Ähnlich geht es dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten nun: Sein Vorstoß, dass langjährige Beitragszahler eine höhere Rente erhalten müssten, sorgt weiter für Kritik auch aus Reihen von CDU und CSU. Allen voran die CDU-Bundesvorsitzende und Kanzlerin Angela Merkel erteilte dem Vorschlag ihres Stellvertreters gestern eine deutliche Absage.

Es gebe die "klare Position" der Bundesregierung, "am bewährten System" festzuhalten, ließ Merkel in Berlin über den stellvertretenden Regierungssprecher Thomas Steg ausrichten. Steg betonte, dass die Höhe der Rente abhängig sei von der Höhe der Beiträge und nicht von der Länge der Zahldauer, so Steg. Andernfalls seien zusätzliche "exorbitante Steuerzuschüsse" zur Rentenfinanzierung nötig.

Rüttgers hatte bereits Anfang April in einem Gespräch mit unserer Zeitung gefordert, dass langjährige Beitragszahler mehr Rente bekommen müssten als die Grundsicherung. Am Wochenende bekräftigte er dies nochmals.

Aus nordrhein-westfälischen Regierungskreisen verlautete gestern, dass die Umsetzung des Vorschlags im ersten Jahr rund 100Millionen Euro an zusätzlichen Kosten bedeuten würde. Bis 2030 würde diese Summe auf rund 2,3Milliarden Euro ansteigen. Das entspreche einer Erhöhung des Rentenbeitrages um maximal 0,3Punkte.

Rüttgers selbst, der sich derzeit zu politischen Gesprächen in Ungarn aufhält, äußerte sich gestern nicht zu der Kritik. Stellvertretend für den Ministerpräsidenten verteidigte NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) den Vorstoß und nannte die Reaktionen "nicht nachvollziehbar". "Nach einem arbeitsreichen Leben darf niemand zum Bittsteller bei Vater Staat werden. Dafür muss die Politik Sorge tragen", betonte er.

Von seinem Landesvorstand hat Rüttgers die volle Rückendeckung für den Vorstoß. Die Vorschläge sollen am 14.Juni auf dem nächsten Parteitag der NRW-CDU in Dortmund beschlossen werden. Eine Absage holte sich Rüttgers dagegen beim Chef der Unions-Fraktion im Bundestag, Volker Kauder (CDU), ab. Der Vorschlag würde bedeuten, "dass auch derjenige, der eine höhere Rente bekommt, noch eins oben drauf bekommt", argumentierte der Politiker. Das könne nicht das Ziel sein, deshalb gebe er dem Vorschlag keine großen Chancen.

Der Chef der SPD-Fraktion, Peter Struck, lehnte den Vorschlag von Rüttgers ab, künftig in Teilen die Rente stärker über Steuermittel zu finanzieren. Struck sagte unserer Zeitung: "Rüttgers ist ein Sprüchemacher. Seine Vorschläge sind wieder mal eine Mogelpackung." Es sei absurd, dass Rüttgers versuche, sich über solche Projekte bundespolitisch "als Held der Arbeiterklasse" zu profilieren. Struck fügte hinzu: "Wir haben ein gutes Rentensystem, dabei muss es bleiben."

Der Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, sagte im Gespräch mit unserer Zeitung: "Es ist ein wünschenswertes Ziel, dass jemand, der lange eingezahlt hat, mehr herausbekommt als das Sozialhilfeniveau. Aber diese Vorschläge müssen finanzierbar sein, und sie dürfen nicht zu Lasten der jungen Generation gerechnet werden."

Der Präsident des Sozialverbandes VdK, Walter Hirrlinger, hält nichts von dem Rüttgers-Vorstoß. Es sei falsch, eine neue Leistung zu kreieren und dafür Steuergeld zu nehmen. Die Politik müsse stattdessen dauerhaft auf den Riester-Faktor verzichten. Selbst aus der CSU kam Widerstand: Der sozialpolitische Sprecher der Christsozialen im Bundestag, Max Straubinger, warnte, mit Steuermitteln einen weiteren "Verschiebebahnhof" zu installieren.