Rüttgers-Berater will Soli für NRW-Städte
Analyse: Dahrendorf stellt Aufbau Ost auf den Prüfstand: Zu viel Rücksicht auf die Ex-DDR.
Düsseldorf. Das Thema schwelt seit Jahren, es flackert immer wieder auf, verschwindet aber regelmäßig in der Schublade: Der Sinn des Aufbaus Ost ist immer wieder infrage gestellt worden. Gerade aus NRW gab es häufig Stimmen, die den Solidaritätszuschlag für den Osten als ein durch die Realität längst überholtes Päppel-Programm bezeichnen. Dabei geht es um viel Geld: Rund 1,5Billionen Euro sind schon in den Osten geflossen, bis 2019 kommen noch weit mehr als 100Milliarden Euro dazu.
Die Diskussion könnte nun neue Fahrt aufnehmen. Denn mit Lord Ralf Dahrendorf hat sich der Chefberater und Vorsitzende der Zukunftskommission von NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) zu Wort gemeldet. Er fordert den Soli auch für arme Städte in NRW.
Der gebürtige Hamburger Dahrendorf, der sich längst in Großbritannien wie auch in Deutschland zu Hause fühlt, hat womöglich eine Stadt wie Wuppertal vor Augen gehabt, als er nun seinen Vorstoß startete. Die Stadt hat aktuell einen Schuldenberg von 1,5Milliarden Euro aufgetürmt, muss in jedem Jahr 55 Millionen Euro an Zinsen zahlen und wird in vier Jahren wegen des strukturellen Defizits zwei Milliarden Euro Schulden haben. Ähnlich wie etwa Gelsenkirchen oder Duisburg signalisiert die Stadt SOS an Land und Bund und fordert Unterstützung ein.
Dahrendorf macht sich nun zum Anwalt der Armenhäuser unter den West-Kommunen. "Gegenüber der Ex-DDR lassen wir uns vielleicht von falschen Sentimentalitäten leiten. Es gibt NRW-Städte, die den Soli dringender brauchen", sagte er der "Bild".
Diese Forderung birgt politischen Sprengstoff. Offiziell hielt sich Rüttgers’ Staatskanzlei gestern noch bedeckt. "Die Zukunftskommission wird ihren Bericht im kommenden Jahr vorlegen. Wir werden die konkreten Vorschläge zunächst abwarten und anschließend politisch bewerten", sagte gestern ein Regierungssprecher. Intern gibt man sich offensiver: "Das Ding ist jetzt in der Welt."
Rüttgers hat sich bei der Verteilung des Soli bislang zurückgehalten. Nur sein Städtebauminister Oliver Wittke (CDU) hatte mehrfach mehr Geld für die Städte im Westen verlangt. Wittke war mehrere Jahre Oberbürgermeister in der Not-Kommune Gelsenkirchen.
Womöglich will Rüttgers der SPD ein gutes Wahlkampthema abgraben. Diese verlangt schon lange eine Förderung nach Bedürftigkeit und nicht nach Himmelsrichtung. "Wir begrüßen es, dass Lord Dahrendorf dieses Position einnimmt", sagte SPD-Landeschefin Hannelore Kraft.