Initiative „Schule gegen sexuelle Gewalt“: Schulen sollen Schutzkonzept entwickeln

Die Initiative „Schule gegen sexuelle Gewalt“ will bundesweit für das Thema sensibilisieren. Nordrhein-Westfalen macht den Anfang.

Foto: dpa

Düsseldorf. Unter den Skandalen um sexuellen Missbrauch nimmt die mittlerweile insolvente Odenwaldschule an der hessischen Bergstraße eine herausragende Stellung ein. Dennoch sei es falsch, Schulen unter einen Generalverdacht zu stellen, sagt Johannes-Wilhelm Rörig, Bundesbeauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs. Die Initiative „Schule gegen sexuelle Gewalt“ richtet sich daher auch nicht in erster Linie gegen Schulen als mögliche Tatorte.

Vielmehr sind sie als Schnittstelle auserkoren, über die alle Kinder und Jugendlichen erreicht werden können. Schrittweise sollen die bundesweit 30 000 Schulen bis Ende 2018 so weit für das Thema sensibilisiert werden, dass Lehrer Anhaltspunkte für einen Missbrauch nicht mehr aus Unsicherheit oder Angst vor falschen Verdächtigungen verschweigen. „Der Chemielehrer, dem etwas auffällt, muss nicht selbst helfen. Das wäre im Gegenteil sehr unprofessionell. Aber er muss wissen, welche Wege zur Hilfe es gibt“, sagt Rörig.

NRW macht den Auftakt. „Bis zum Beginn des neuen Schulhalbjahres werden alle Schule über die Initiative informiert“, kündigt Schulministerin Sylvia Löhrmann an. Begleitend stellt die Initiative für alle Schulen eine Informationsmappe zur Verfügung und hat im Internet ein Fachportal eingerichtet, das sowohl bundesweite als auch länderspezifische Aspekte berücksichtigt.

2015 flossen allein in NRW knapp 2500 Fälle sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen in die Polizeistatistik ein. Bundesweit waren es knapp 13 000 Fälle. „Statistisch sitzen in jeder Schulklasse ein bis zwei Mädchen oder Jungen, die sexuelle Übergriffe oder Gewalt erleiden oder schon erlitten haben“, so der Bundesbeauftragte.

Nur zehn bis 15 Prozent der Fälle spielen sich dabei in Institutionen wie der Schule ab. Viel häufiger ist der Missbrauch in der Familie oder im familiären Umfeld verortet. „Dass Schule kein Tatort wird“, sei daher nur ein Ziel, sagt Rörig. Das zweite: Schulen sollen Kompetenz- und Schutzorte sein. „Das Spannungsfeld reicht dabei von akuten Fällen in der Schule und im familiären Umfeld bis zur Mithilfe bei der Fahndung“, sagt Ministerin Löhrmann. Bundesweit seien ihr drei Fälle bekannt, in denen Schulen konkrete Hinweise auf Tatverdächtige außerhalb der Schule bekommen hätten. In der Folge sei es auch zu Festnahmen gekommen.

Mit dem Verteilen von Infomappen und einer Internetplattform will es die Initiative nicht bewenden lassen. Wunschvorstellung ist die Entwicklung eines Schutzkonzepts vor Ort, in das die Schulen die jeweilige Bezirksregierung, Beratungsstellen, Schulpsychologen und andere Experten in ihrem Umfeld einbeziehen. Derzeit liegt ein solches Konzept nach Rörigs Aussage nur in vier Prozent der Schulen vor.

Darin müssten dann auch die jeweiligen Schwachpunkte der Schule mit Blick auf sexuelle Gewalt benannt werden. Dazu zählen nach gängiger Einschätzung vor allem die Turnhallen, Umkleiden und Duschen. Hier müsse jede Schule für sich klären, wie sie in diesen Bereichen mit Fragen von Nähe und Distanz und dem Problem schnell gemachter Handyfotos umgehen wolle.

Nicht zuletzt ist aber auch das Teil eines sinnvollen Schutzkonzepts: ein Rehabilitationsplan bei erfolgter falscher Verdächtigung. schule-gegen-sexuelle-gewalt.de