Sicherungsverwahrung im Heinsberger Fall?
Am Mittwoch fällt der Bundesgerichtshof sein mit Spannung erwartetes Urteil.
Düsseldorf. Seit fast einem Jahr protestieren die Menschen in Heinsberg-Randerath gegen die Anwesenheit eines Mannes in ihrem Ort. Aus Sorge um ihre Kinder. Am Mittwoch blicken sie gespannt nach Karlsruhe. Dort urteilt der Bundesgerichtshof im Falle des verurteilten Sexualverbrechers: Wird der 59-Jährige, der nach der Haftentlassung bei seinem Bruder wohnt, doch noch in Sicherungsverwahrung genommen?
Der Mann war 1985 wegen Vergewaltigung einer 15-Jährigen vom Landgericht München zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt worden. 1995 folgte eine weitere Verurteilung durch die Münchner Richter, diesmal zu 14 Jahren, weil er zwei Mädchen (14 und 15) vergewaltigt hatte. Die Staatsanwaltschaft München hielt den Täter, gestützt auf Sachverständigengutachten, auch nach Verbüßung der Haft für so gefährlich, dass sie eine Sicherungsverwahrung beantragte.
Das Landgericht und auch das Oberlandesgericht München lehnten eine solche Maßnahme jedoch ab. Begründung: Weil die Sicherungsverwahrung ja nicht gleichzeitig mit dem Strafurteil im Jahre 1995 ausgesprochen worden war, gelten die strengen Maßstäbe für eine nachträgliche Sicherungsverwahrung. Eine solche darf laut Gesetz nur dann verhängt werden, wenn nach dem Urteil neue Tatsachen bekannt werden, die die Gefährlichkeit des Täters begründen.
Dazu sagte das Oberlandesgericht München: Was hinsichtlich der Gefährlichkeit des Täters vorgebracht wurde, seien keine neuen Tatsachen gewesen. Die Sachverständigen hätten altbekannte Tatsachen hinsichtlich des Verurteilten lediglich neu bewertet und seien so zur Feststellung der Gefährlichkeit des Mannes gelangt. Eine neue Bewertung sei aber keine neue Tatsache.
In einem vom Landgericht Aachen entschiedenen Fall sah das anders aus: Da wurde gegen einen Mann nachträgliche Sicherungsverwahrung verhängt, weil er in der Haft eine Hirnschädigung erlitten hatte, die ihn zum Hochrisiko-Täter machte. Im Heinsberger Fall gibt es aber offenbar keine solchen neuen Tatsachen.
Aus rechtsstaatlicher Sicht sind die bisherigen Richtersprüche nachvollziehbar: Wenn das Gesetz neue Tatsachen verlangt, darf sich ein Gericht nicht einfach darüber hinwegsetzen. Aus Sicht der sich bedroht fühlenden Menschen macht es indes keinen Unterschied, ob sich die Gefährlichkeit des Mannes aus neuen Tatsachen oder aus einer neuen Bewertung durch Sachverständige ergibt. In beiden Fällen ist das Ergebnis gleich. Ob der Bundesgerichtshof einen Ausweg aus diesem Dilemma findet?