Analyse Silvester-Ausschuss: Heftiger Streit nach Indiskretion
Eine nicht endgültige Bewertung gelangt an die Öffentlichkeit. SPD, Grüne und Piraten sehen Wahlkampfmanöver der CDU.
Düsseldorf. Es ist genau ein Jahr her, da versicherten sich CDU und SPD im NRW-Landtag: mit dem soeben eingesetzten Untersuchungsausschuss zu den Gewalt-Übergriffen in der Kölner Silvesternacht 2015 soll kein Wahlkampf betrieben werden. Doch viele der 59 Sitzungstage haben das Gegenteil gezeigt. Und kurz vor Veröffentlichung des Abschlussberichts zeigt eine Indiskretion, das es sehr wohl Interessen zu geben scheint, die Sache parteipolitisch auszuschlachten. Die 165 Seiten umfassende Bewertung des Geschehens, die der Ausschussvorsitzende Peter Biesenbach (CDU) am Donnerstag um 17 Uhr an die Ausschussmitglieder gemailt hatte, geriet umgehend in einige Medien.
SPD, Grüne und Piraten zeigten sich gestern empört. Hans-Willi Körfges, Obmann der SPD im Ausschuss: „Es ist ein einmaliger Vorgang, dass ein Entwurf des Vorsitzenden zum Abschlussbericht die Medien offenkundig vor den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses erreicht hat.“ Für Matthi Bolte (Grüne) soll hier eine Deutung der Geschehnisse in die Welt gesetzt werden, die gerade nicht Konsens im Ausschuss war.
Simone Brand von den Piraten sagt: „Das macht nach außen den falschen Eindruck, dass dies schon der Abschlussbericht ist.“ Wenn in der Bewertung des Ausschussvorsitzenden davon die Rede sei, dass die Silvesternacht hätte verhindert werden können, sei dies Unsinn. „Aus den Ereignissen der letzten Jahre war nicht zu erahnen, dass es zu solchen massenhaften Übergriffen kommen würde.“ Zu behaupten, man hätte wissen müssen, dass es zu diesen massenhaften Übergriffen wie in der Silvesternacht komme, sei „hanebüchener Unsinn“.
Nun stehen die Piraten nicht im Verdacht, sich für den von Union und FDP mitverantwortlich gemachten Innenminister Ralf Jäger (SPD) stark zu machen. Brand: „Für uns trägt Jäger die gesamtpolitische Verantwortung, aber man darf nicht mit einer Lüge zu punkten versuchen, um ihn zu Fall zu bringen.“ Auch die Piratin kann nicht beweisen, wer die Bewertung an die Medien durchgestochen hat. Doch stelle sich schon die Frage: „cui bono — wem nützt es?“ Es liege im Interesse der CDU, dass ihre Bewertung vorab in die Medien gelange und so der Eindruck entstehe, das sei das Ergebnis der Ausschussarbeit.
SPD-Mann Körfges fordert Biesenbach auf, „den Verdacht zu entkräften, dass er angesichts schlechter Umfragewerte seiner Partei zu einem durchsichtigen parteipolitisch motivierten Manöver gegriffen hat.“ Und Bolte von den Grünen sagt: „Die Frauen, die in der Silvesternacht 2015/2016 Opfer geworden sind, und ihre Schicksale sind für Herrn Biesenbach und seine Kollegen nur Mittel zum Zweck. Wie groß muss die Unsicherheit in der CDU-Fraktion sein, um die Opfer so schäbig zu instrumentalisieren?“
Ina Scharrenbach, die die CDU im Ausschuss vertritt, forderte SPD und Grüne auf, zur Sache zu reden, „statt mit Dreck um sich zu werfen“. Biesenbach selbst stellte gestern klar: „Dieser Entwurf enthält die Bewertung des Ausschuss-Vorsitzenden, wie sie sich aus der Beweisaufnahme ergibt. Bei der Abfassung der Bewertung habe ich die Wünsche und Anregungen der Fraktionen berücksichtigt, soweit mir das möglich war.“ Allen Fraktionen stehe es nun frei, bei einer anderen Bewertung Änderungsanträge für die Beratung des Entwurfs in der letzten Sitzung zu formulieren.