Sorgerecht: Mehr Macht für die Väter
Bislang sind unverheiratete Väter beim Sorgerecht auf die Zustimmung der Mütter angewiesen. Das könnte sich bald ändern.
Wuppertal. Wie häufig Paul Bludau seine Zwillinge gesehen hat, kann er an seinen Händen abzählen. Dabei sind Julia und Maik schon zehn Jahre alt. "Ich wünsche mir, dass ich Vater sein darf und nicht nur Erzeuger", sagt der 36-jährige Wuppertaler. Mit der Mutter hat er nie zusammen gelebt. Kurz nach der Geburt ging sie für einige Jahre ins Ausland. Auch nach ihrer Rückkehr darf Bludau nicht zu seinen Kindern.
So wie Bludau geht es vielen Vätern von unehelich geborenen Kindern. Das Sorgerecht wird automatisch allein der Mutter zugeschrieben, solange nicht beide Elternteile eine gemeinsame Sorgerechtserklärung abgeben. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte diese Regelung 2003 - unter der Annahme, dass im Regelfall das gemeinsame Sorgerecht beantragt wird. Doch das Gegenteil ist der Fall: Zwischen 1990 und 2006 hat sich zwar der Anteil der unehelich geborenen Kinder von rund 15 auf 30 Prozent verdoppelt, die Zahl der gemeinsamen Sorgerechtserklärungen ist jedoch nur gering. 2006 ist lediglich für 93 996 der bundesweit 201 519 außerehelich geborenen Kindern das gemeinsame Sorgerecht beantragt worden - also nicht einmal für die Hälfte. In Nordrhein-Westfalen haben mit gut 60 Prozent anteilig am meisten Mütter das alleinige Sorgerecht.
Das Bundesjustizministerium prüft deshalb, "ob und gegebenenfalls wie die mit der Mutter nicht verheirateten Väter stärker an der elterlichen Sorge beteiligt werden können". So heißt es in einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen. Die Fraktion hält die geltende Regelung für unzeitgemäß. Familienpolitikerin Ekin Deligöz sagt: "Die Gesellschaft verändert sich, auch die Rolle der Väter. Es ist paradox, darauf nicht zu reagieren." Es sei nicht hinzunehmen, dass Väter alle Pflichten wie etwa Unterhalt haben, man bei der Gewährung von Rechten aber konservativ bleibe. Praktisch gehe es beim Sorgerecht um weitreichende Entscheidungen wie über den Wohnort des Kindes, die Schulart, die Ausbildungs- und Berufswahl, die Religion und ärztliche Behandlungen. Die Grünen bereiten ein Positionspapier zum Thema vor. Sie halten es mindestens für notwendig, dass Vätern der Zugang zur gemeinsamen Sorge bei Einzelfallprüfung ermöglicht wird.
Die geschlechterpolitische Initiative "Manndat" geht noch weiter und fordert eine gemeinsame Sorge von Geburt an. "So würde der Gesetzgeber zum Ausdruck bringen, dass elterliche Verantwortung unteilbar ist", sagt Manndat-Sprecher Roger Lebien. Die gegenwärtige Regelung hält er für "in jeder Hinsicht inakzeptabel und eine eindeutige Diskriminierung von Männern".
Sabina Schutter vom Verband alleinerziehender Eltern befürchtet jedoch, dass es bei einer Änderung des Gesetzes zu Machtkämpfen zwischen den Eltern kommen könnte. "Die Mutter meldet das Kind an einer Schule an, der Vater meldet es wieder ab. Das erleben wir heute schon bei ehemals verheirateten Eltern." Schutter ist überzeugt: "Es ist nicht zum Wohl des Kindes, das gemeinsame Sorgerecht gegen den Willen eines Elternteils zu erzwingen."
Regelungen Die überwiegende Zahl der EU-Länder wie etwa Frankreich und Polen ordnen den Eltern das Sorgerecht automatisch gemeinsam zu.
Finnland In Finnland wird die gemeinsame Sorge zwar wie in Deutschland an eine Elternvereinbarung geknüpft, es räumt jedoch den Gerichten die Möglichkeit einer Kindeswohlprüfung ein. Eine Regelung wie in Deutschland gibt es noch in Österreich, der Schweiz und in Liechtenstein.