Unicef laufen die Spender weg

Krise: Der Druck auf das Kinderhilfswerk steigt. Auch die Bundesregierung fordert Aufklärung.

Köln. Kaum etwas kann eine um Spenden werbende Organisation weniger gebrauchen als schlechte Schlagzeilen. Doch aus diesen kommt Unicef Deutschland bereits seit Wochen nicht heraus. Nach dem Rückzug der Vorsitzenden Heide Simonis am Wochenende spitzte sich die Vertrauenskrise des Kinderhilfswerks gestern zu. Die deutsche Schwimmerin Sandra Völker kündigte an, der Organisation nach zehn Jahren nicht mehr als Repräsentantin zur Verfügung zu stehen. Andere prominente Unterstützer forderten Konsequenzen aus den Verschwendungsvorwürfen. Und sogar die Bundesregierung schaltete sich ein und verlangte eine rasche Klärung.

Wie ernst die Lage ist, zeigen erste konkrete Auswirkungen der Krise. Ein Sprecher räumte ein, dass Unicef mittlerweile 5000 von 200000 Dauerspendern verloren habe. Im Dezember vergangenen Jahres seien die Einnahmen um 3,5 Millionen Euro hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Und eine erste Arbeitsgruppe des Kinderhilfswerkes löste sich auf. Angesichts dieser Entwicklungen ist auch die Genfer Unicef-Zentrale alarmiert, die einen Ansehenverlust fürchtet. Zugleich stärkte sie dem deutschen Ableger aber den Rücken. Der Vorstand genieße "volles Vertrauen", hieß es.

Ausgelöst worden war die Krise durch Vorwürfe gegen Geschäftsführer Dietrich Garlichs. Dieser soll Spendengelder verschwendet haben, unter anderem für zu großzügige Honorare an externe Berater. Die Staatsanwaltschaft Köln hatte im Dezember vergangenen Jahres ein Ermittlungsverfahren wegen des Anfangsverdachts der Untreue eingeleitet. Das Verfahren dauere weiter an, sagte ein Sprecher der Behörde gestern auf Anfrage unserer Zeitung.

Derweil versucht der neue Vorsitzende von Unicef Deutschland, Reinhard Schlagintweit, die Organisation wieder in ruhigeres Fahrwasser zu bringen. Schlagintweit, der das Amt erst 2006 niedergelegt hatte, traf sich gestern mit Garlichs zu einem Gespräch in Köln. Für heute ist eine Pressekonferenz in Berlin geplant, an der neben den beiden auch Unicef-Botschafterin und Moderatorin Sabine Christiansen teilnehmen soll.

Schlagintweit kündigte bereits Reformen innerhalb der Organisation an. Es werde Strukturveränderungen in der Geschäftsstelle und bei der Arbeit des Vorstandes geben, betonte er. Er stellte sich zugleich hinter den in die Schusslinie geratenen Geschäftsführer Garlichs. Juristisch habe dieser sich nichts zuschulden kommen lassen. Allenfalls könnten ihm eine "gewisse Großzügigkeit, Unbekümmertheit und ein bisschen Sorglosigkeit" angelastet werden.

Unicef Deutschland ist in schwere Turbulenzen geraten. Die Vorwürfe treffen ins Mark der Organisation: Das Vertrauen in sie hat gelitten. Und nur wer Vertrauen hat, spendet Geld für den guten Zweck. Nachdem Heide Simonis entnervt die Brocken hingeschmissen hat, ist es nun am neuen Vorsitzenden Reinhard Schlagintweit, Glaubwürdigkeit wiederzugewinnen. Das gelingt nur über Reformen, die er bereits angekündigt hat - ein richtiger und überfälliger Schritt. Dass er aber uneingeschränkt an Dietrich Garlichs festhält, ist eine Fehlentscheidung. Zwar sind die Vorwürfe gegen den Geschäftsführer weiterhin nicht bewiesen und ein Rücktritt daher nicht zwingend. Dennoch sollte er sein Amt ruhen lassen, solange die Ermittlungen laufen. Auch das würde Vertrauen schaffen.