WestLB-Desaster vor Gericht

Prozess: Der Staatsanwalt wirft dem Ex-Chef „übersteigertes Erfolgsstreben“ vor.

Düsseldorf. Die WestLB steckt immer noch tief in der Krise, und eine der wichtigsten Ursachen dafür ist ein geplatzter Milliarden-Kredit von 1999. Seit gestern steht deswegen der frühere WestLB-Chef Hans Jürgen Sengera (64) vor dem Düsseldorfer Landgericht. Gegen dessen Amtsnachfolger Thomas Fischer, der die WestLB von 2004 bis 2007 leitete, ermittelt die Staatsanwaltschaft noch wegen eines Eigenhandel-Skandals: Er soll Informationspflichten gegenüber dem Aufsichtsrat verletzt haben.

Sengera wirft die Staatsanwaltschaft schwere Untreue vor: Aus "übersteigertem beruflichem Erfolgsstreben" habe er trotz Bedenken des zentralen Kreditmanagements der Bank einen Kredit über 1,35 Milliarden Euro an das britische Unternehmen Boxclever ohne echte Risikoprüfung vergeben. Durch dieses pflichtwidrige Verhalten sei der Bank ein Schaden von mindestens 427Millionen Euro entstanden.

Aus Sicht der Verteidigung allerdings hätte es zu dem Prozess gar nicht kommen dürfen: Sengera-Anwalt Christian Richter rügte die Anklageschrift und den Zulassungsbeschluss des Gerichts als "unwirksam": Zentrale Beweis-Schriftstücke seien nicht aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt worden. Dies sei ein Verstoß gegen den Paragrafen 184 des Gerichtsverfassungsgesetzes. Denn der bestimme eindeutig: "Die Gerichtssprache ist deutsch." Star-Anwalt Richter, dessen Stundensätze von Prozessbeobachtern auf über 500 Euro geschätzt werden, bescheinigte sich selbst in diesem Zusammenhang "nur in der Schule erworbene Englischkenntnisse", und sein Schulabschluss 1958 liege schon lange zurück.

Sengeras zweiter Anwalt, der renommierte Wirtschaftsstrafverteidiger Eberhard Kempf, der bereits Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann im Mannesmann-Verfahren vertreten hatte, warf der Staatsanwaltschaft indirekt sogar handwerkliches Versagen vor: In der Anklageschrift seien die Vorwürfe gegen seinen Mandanten nicht konkret genug dargestellt, Ort und Zeitpunkt der Sengera vorgeworfenen Untreuetat seien unbestimmt. Gemeinsam beantragten die Verteidiger die Einstellung des Verfahrens.

Im Prozess gegen den früheren WestLB-Chef Hans Jürgen Sengera erinnert viel an das Mannesmann-Verfahren: Die selbe Vorsitzende Richterin, der selbe Verteidiger und der selbe Tatvorwurf - Untreue. Aber mit einem wichtigen Unterschied: Niemand wirft dem früheren WestLB-Chef persönliche Bereicherung vor, allenfalls ein "übersteigertes berufliches Erfolgsstreben". Das ist per se nicht strafbar. Nur dann, wenn dieser Ehrgeiz zu pflichtwidrigem Verhalten und finanziellem Schaden führt. Solch pflichtwidriges Verhalten nachzuweisen, ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft. Das gelang beim Mannesmann-Prozess nicht. Auch beim WestLB-Prozess wird das sehr schwierig werden. Deshalb wird der Prozess früher oder später so enden wie Mannesmann: Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage.