Wo sind die Atomkugeln?
Fehlen die „verschwundenen“ Kugeln in den Aufzeichnungen, weil sie zerbrochen waren?
Jülich. Es klingt wie ein verspäteter Aprilscherz: Im Forschungszentrum Jülich werden 2285 möglicherweise hochradioaktive Brennelemente vermisst — zumindest gibt es über ihren Verbleib keine Aufzeichnungen.
Der Versuchsreaktor in Jülich lief von 1967 bis 1988 und wird seitdem zurückgebaut. Er galt als Prototyp für den 1989 ebenfalls von der damaligen SPD-Regierung stillgelegten Thorium-Hochtemperatur-Reaktor (THTR) in Hamm-Uentrop. Betreiber des Jülicher Forschungsreaktors war ein Konsortium von Stadtwerken unter Führung der Stadtwerke Düsseldorf, die heute noch aktive „Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor“ (AVR).
Ein Sprecher des Forschungszentrums erklärte, dass laut AVR von 1967 bis 1988 insgesamt 290.705 Brennelementekugeln im Reaktor eingesetzt wurdenu. Im Zwischenlager in Jülich lagern derzeit in 152 Castorbehältern 288 161 intakte abgebrannte Brennelementkugeln Allerdings seien in der Zeit der Entwicklung und des Betriebs des Reaktors „zahlreiche abgebrannte Brennelementkugeln zu Forschungszwecken untersucht“ sowie beim Rückbau der Anlage zerstört worden. Dieser „Kugelbruch“ sei einzementiert worden und lagere in Fässern auf dem Gelände. Ob dieser „Kugelbruch“ den fehlenden 2285 Brennelementekugeln entspricht, wusste der Sprecher nicht: „Wir prüfen das noch.“
Die THTR-Technologie unterscheidet sich von der Funktionsweise der verbreiteten Leichtwasserreaktoren. In den THTR sind die von einem Graphitmantel umhüllten, tennisballgroßen Brennelementkugeln übereinander aufgeschichtet. In einem einzigen Brennelement befinden sich Tausende winzige Kügelchen, die aus Plutonium, Americium und Curium bestehen. Gekühlt werden sie mit Edelgasen.