Gastbeitrag Warum das Promotionsrecht für Aufregung sorgt

Wuppertal · Der Wuppertaler Uni-Rektor Lambert T. Koch, Sprecher der Landesrektorenkonferenz der Universitäten NRW, zur Aufregung um das Promotionsrecht, für das die Landesregierung mit der Novellierung des Hochschulgesetzes sorge.

Lambert T. Koch ist Sprecher der Uni-Rektoren in Deutschland.

Foto: anna schwartz

Die bevorstehende Novellierung des Hochschulgesetzes in Nordrhein-Westfalen schien zunächst nicht dazu angetan, größere Diskussionen auszulösen. Auch, weil ursprüngliche Vorhaben wie die Einführung von Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer im aktuellen Regierungsentwurf fehlen. Doch nun wurde die Harmonie von Land und Hochschulen durch einen Änderungsantrag aus Reihen der Regierungskoalitionäre empfindlich gestört.

Der Inhalt des Antrags sorgt nicht nur in NRW, sondern im gesamten bundesdeutschen Wissenschaftssystem für Aufregung. Vorgeschlagen wird, dass Fachhochschulen ihre Absolventinnen und Absolventen künftig ohne Zutun der Universitäten zum Doktortitel führen dürfen. Dazu soll dem Hochschulgesetz ein Paragraph 67b „Promotionskolleg für angewandte Forschung der Fachhochschulen in Nordrhein-Westfalen“ hinzugefügt werden. Dieses neuartige „Promotionskolleg“ könnte, so die Vorstellung von CDU und FDP, demnächst das fachhochschulische Promotionsgeschehen „in einem Kontext der Lehre“ organisieren. Was diese Formulierung genau meint, bleibt offen, lässt aber mit Blick auf die Qualität der Ergebnisse einige Befürchtungen zu.

Bislang gibt es in Deutschland die bewährte Tradition, dass für Professorinnen und Professoren an Fachhochschulen der Schwerpunkt ihrer Arbeit mehr auf der Lehre denn auf der Forschung liegt. Von den Lehrenden an Universitäten hingegen werden deutlich höhere Forschungsanstrengungen erwartet. Entsprechend angepasst ist die Infrastruktur hier wie dort. Die Universitäten weisen gemäß dieser Arbeitsteilung eine deutlich ausgeprägtere Ausstattung für Forschungsbelange auf. Wenn somit besonders gute Fachhochschulabsolventinnen oder -absolventen an ihr Studium noch ein Doktorat anschließen möchten, sind die Universitäten gefragt. Insgesamt haben allein zwischen 2015 und 2017 an Universitäten in Nordrhein-Westfalen 277 Absolventinnen und -Absolventen von Fachhochschulen promoviert, eine beachtliche Anzahl.

Es scheint klug, weiterhin auf die kooperative Promotion zu setzen

Ein Modell, das sich in diesem Zusammenhang zunehmend bewährt, ist das der „kooperativen Promotion“. Im Rahmen dieses Modells, das die Durchlässigkeit zwischen den Hochschultypen erhöht, werden Doktorandinnen und Doktoranden von einem Hochschullehrer-Tandem aus der Herkunftsfachhochschule sowie einer Universität betreut. Hieraus entstehen nicht selten spannende Forschungsprojekte. Daher sollte, wenn es nach den Universitäten ginge, dieser Weg der Talentförderung im Interesse von Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft deutlich mehr gefördert werden. Schon die bisherige Öffnung hat dazu geführt, dass sich die Zahl kooperativer Promotionen in Nordrhein-Westfalen allein zwischen 2012 bis 2014 (erste Erhebung) und 2015 bis2017 (zweite Erhebung) von 37 auf 77 mehr als verdoppelte, wie die Vorauswertung einer in Kürze erscheinenden Studie der Hochschulrektorenkonferenz belegt.

Der Blick auf diese Zahlen lässt es politisch klug erscheinen, weiterhin auf die kooperative Promotion zu setzen. Genau diesen Weg gehen alle Bundesländer – bis auf das Land Hessen. Nur dort hatte man 2016 den Fachhochschulen unter bestimmten Bedingungen ein unabhängiges Promotionsrecht zugestanden. Die hierfür nicht zugeschnittene Ausstattung führte bislang freilich nur zu einer vernachlässigbar kleinen Zahl von Promotionsabschlüssen.

Was sich der interessierte Bürger und Steuerzahler nun fragen dürfte, ist, warum man in NRW angesichts dieser Fakten ein Erfolgsmodell kippen möchte. Die Antwort hat wohl viele Facetten. Doch sicher spielt dabei das Drängen der Fachhochschulen die entscheidende Rolle. Für sie geht es um Attraktivität, Nachwuchs und Prestige.

Das ist alles nachvollziehbar. Dennoch warnen die Universitäten im Verbund mit zahlreichen Verantwortlichen der bundesdeutschen Wissenschaftsorganisation nachdrücklich vor der geplanten Schwächung der kooperativen Promotion. Es geht nicht um Privilegienerhalt um seiner selbst willen, sondern um die Schlagkraft des Gesamtsystems. Mit dem propagierten Promotionskolleg würde die überaus begrüßenswerte Zusammenarbeit zwischen Universitäten und Fachhochschulen zunehmend im Sande verlaufen. Begabten Fachhochschulabsolventinnen und -absolventen würden der Input und das Erleben einer universitären Forschungsumgebung als ergänzender Qualifizierungsschritt vorenthalten. Mit allen Nachteilen für die Wettbewerbsfähigkeit des Forschungs- und Innovationsstandortes Nordrhein-Westfalen, dessen Universitäten sich im Zuge der Exzellenzinitiative gerade erst auf Platz 1 der forschungsstärksten Bundesländer vorgearbeitet haben.

Was entstünde, wären Parallelstrukturen, die das Land über Jahrzehnte hinweg erhebliche zusätzliche Steuermittel kosten würde. Schon jetzt werden aus Richtung der Fachhochschulen Stimmen laut, die separate Gelder fordern, um die erhofften eigenen Promovenden auch mit ausreichender Qualität zum Abschluss führen zu können. Und in der Tat wäre eine massive Lehrentlastung unabdingbar, um die erhofften Nachwuchsforscherinnen und -forscher adäquat betreuen zu können. Gerade in den ingenieur- und naturwissenschaftlichen Fächern bräuchte man zudem erhebliche Ressourcen zur Aufrüstung der zumeist nicht für Promotionszwecke ausgestatteten Labore. Wo dieses Geld herkommen soll, ist völlig unklar. Zumal auch die nordrhein-westfälischen Universitäten dringend Mittel benötigen, um endlich in puncto Betreuungsrelationen von dem bundesweit letzten Platz wegzukommen. Zuletzt kamen hierzulande auf eine Professur 91 Studierende, 25 mehr als im Bundesschnitt.

Wie viel sinnvoller ist da doch das derzeitige System. Deshalb schlagen die Universitäten vor, zu seiner Stärkung dezentrale Graduiertenkollegs unter gemeinsamer Leitung zu gründen. Vorzugsweise an solchen Standorten, an denen schon jetzt starke Universitäten und Fachhochschulen existieren, die erfolgreich kooperieren. Gedacht ist etwa an Aachen, Bochum, Dortmund, Köln und Münster. Die Suche nach geeigneten Promovenden und guten Betreuenden könnte durch eigene „Science Scouts“ unterstützt werden. Für besonders begabte Promotionsstudierende ließen sich Stipendien ausloben. Und die Wahrung eines fairen Miteinanders zwischen den Partnern könnten Ombudspersonen begleiten. Die fünf bis sechs regionalen Promotionskollegs sollten so ausgeschrieben werden, dass auch solche Themen-Cluster eine Chance bekämen, für die bislang die Promotionsoptionen ungünstig ausfallen, wie etwa im Gesundheitsbereich.

So entstünden auf diese Weise zusätzliche Talentpools, die auch den Nachwuchssorgen der Fachhochschulen entgegenwirkten. Während ein reines Fachhochschul-Promotionskolleg bedeuten würde, dass dort ausgebildeter wissenschaftlicher Nachwuchs unter Umständen nie die auch international hochvernetzte Forschungsumgebung einer Universität erlebt hätte, kennen die Graduierten eines kooperativen Promotionskollegs beide Welten.

Mit Blick auf das weitere Gesetzgebungsverfahren bleibt abzuwarten, ob die Koalitionäre doch noch einlenken. Jedenfalls entstünde bei einem Aufeinanderzugehen aus Sicht der Universitäten für keine Seite ein Gesichtsverlust. Andernfalls hingegen stünden Chancen und Erfolge auf dem Spiel – für den Nachwuchs und für den Wissenschaftsstandort NRW.