Zeitenwende für Leiharbeiter?
Der neue Stahltarifvertrag setzt auf Gleichbezahlung. Die Branche der Zeitarbeit ist entsetzt.
Düsseldorf. Im jüngsten Stahltarifvertrag von Düsseldorf steckt mehr als 3,6 Prozent mehr Geld für die rund 85 000 Stahlarbeiter Nordwestdeutschlands. Erstmals ist es der IG Metall gelungen, in einer wichtigen Branche einen Hebel anzusetzen, um die wachsende Schar von Leiharbeitern besser zu entlohnen. Die großen Zeitarbeitsfirmen halten den Abschluss für nicht akzeptabel und zudem nicht handhabbar, während Wissenschaftler über die mögliche Ausweitung des Modells nachdenken.
Leiharbeiter sind bei ihrem jeweiligen Zeitarbeitsunternehmen beschäftigt, das sie auch sozialversichert. In der zersplitterten Branche mit mehr als 23 000 Unternehmen und rund 850 000 Beschäftigten ist es den Gewerkschaften bislang nur gelungen, Tarifverträge mit mageren Untergrenzen durchzusetzen, die weit von den Stammlöhnen der Industrie entfernt sind.
Schon länger versucht die IG Metall, über die entleihenden Betriebe Druck auszuüben. Bislang sind über 500 betriebliche Vereinbarungen geschlossen worden, um die Leiharbeiter besser zu stellen und die "Dumpinglohn-Gesellschaft" zu stoppen, sagt Vize Detlef Wetzel. Eine tarifvertragliche Vereinbarung zur Leiharbeit gab es bislang aber nur in der deutschen Miederindustrie mit rund 2000 Beschäftigten.
In Düsseldorf hat NRW-Bezirkschef Oliver Burkhard mit der sogenannten "schuldrechtlichen Vereinbarung" juristisches Neuland für die 3000 Leiharbeiter der Stahlbranche betreten. Bei schlechterer Bezahlung kann der Leiharbeiter die Differenz zum Stammarbeiter beim entleihenden Stahlunternehmen einklagen. Das Argument der Verleiher, die Tarifpartner schlössen einen Vertrag zulasten Dritter, könnte so ins Leere laufen.
"Die Gewerkschaften haben das Thema Leiharbeit so lange ignoriert, bis sie tatsächlich zu einer Außenseiterkonkurrenz in den Betrieben geführt hat", sagt der Gewerkschaftsexperte Hans-Peter Müller von der Fachhochschule für Wirtschaft in Berlin. Die nun erreichte Regelung sei aus seiner Sicht ein wirksames Mittel gegen die zweite Lohnlinie in den Betrieben und könne Signalwirkung auch für andere Branchen haben.