Liberale Muslime organisieren sich
Die Mitglieder des geplanten Vereins könnten wichtige Ansprechpartner der Politik werden.
Berlin. Ihre Abkürzungen kennt außerhalb der politisch-bürokratischen Welt kaum jemand: Ditib, ZMD, Islamrat, Verein der Islamischen Kulturzentren. Gemeinsam bilden die Vereinigungen den "Koordinationsrat der Muslime", der für Innenminister Thomas de Maizière (CDU) zentraler Partner im wichtigsten Dialogforum von deutschem Staat und Vertretern der hier lebenden Muslime ist: der Islamkonferenz.
Seit de Maizière der mitgliederstärksten Einzelorganisation im Islamrat, der konservativen "Milli Görüs", den Stuhl vor die Tür gesetzt hat, solange der Verdacht auf Steuerhinterziehung, Bildung einer kriminellen Vereinigung und Geldwäsche nicht ausgeräumt ist, hängt in der muslimischen Verbandswelt allerdings der Haussegen schief. Aussteigen oder weitermachen, fragen sich seit Wochen die Funktionäre.
Eine Entscheidung wurde am Freitag erneut vertagt. Allerdings deutete sich an, dass die Verbände auch weiter an der Islamkonferenz teilnehmen werden.Mit jedem Tag, den sie warten, rückt ein Ereignis näher, auf das Regierungen in Bund und Ländern insgeheim seit langem warten: Liberale Muslime, die sich von den herkömmlichen Verbänden mit ihren unterschiedlichen Einzelinteressen nicht vertreten sehen, werden nach Informationen unserer Zeitung in Kürze einen Verein gründen.
Dem Staat wächst so ein neuer, möglicherweise einflussreicher Dialog- und Verhandlungspartner heran.Im Zentrum steht dabei eine junge Frau aus dem Ruhrgebiet, die bereits als Buchautorin ("Muslimisch, weiblich, deutsch!") und Religionspädagogin auf sich aufmerksam gemacht hat. Lamya Kaddor, Sprecherin des islamischen "Wortes zum Freitag" im ZDF, war zuletzt Islamkunde-Lehrerin an einer Hauptschule in Dinslaken. Innenminister de Maizière begrüßt die bevorstehende Gründung.
Kaddor und ihre Mitstreiter legen Wert auf Aspekte, die in den anderen Verbänden nicht unstrittig sind: "Wir sind alle einem liberal-gläubigen Verständnis des Islam und einer historisch-kritischen Auslegung des Koran verpflichtet. Wir sind eindeutig in Deutschland verortet, es gibt kein weiteres Land, in dem wir uns heimisch fühlen. Wir bekennen uns zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit von Mann und Frau in Gesellschaft und Religion sind für uns von zentraler Bedeutung."