Linke für SPD kein Tabu mehr

Die Sozialdemokraten versuchen, sich für die Zukunft neu aufzustellen.

Berlin. Die SPD will bei ihrem Parteitag Donnerstag und Freitag in Leipzig das bisherige Tabu einer Zusammenarbeit mit der Linkspartei auf Bundesebene offiziell aufgeben. Ein entsprechender Leitantrag des Vorstandes wurde am Dienstag präsentiert. Es wird mit einer großen Mehrheit gerechnet, ebenso mit einer überzeugenden Wiederwahl von Parteichef Sigmar Gabriel.

Mit dem Leitantrag versucht der Vorstand, Konsequenzen aus dem enttäuschenden Wahlergebnis vom 22. September zu ziehen. Darin wird versprochen, den Dialog mit den Bürgern zu verstärken und die Mitglieder noch mehr zu beteiligen. Auch wird der inhaltliche Kurs bekräftigt. Die SPD bleibe „die linke Reformpartei“. Zu Regierungspartnern heißt es, dass die Partei für die Zukunft „keine Koalition grundsätzlich“ ausschließe. Ausgenommen seien nur rechtsextreme und rechtspopulistische Parteien.

In dem Leitantrag werden drei Bedingungen für eine Zusammenarbeit genannt, die alle offenbar auf die Linken zielen: Es müsse eine stabile parlamentarische Mehrheit geben. An Minderheitenregierungen oder Tolerierungen denkt die SPD im Bund also nicht. Der Koalitionsvertrag müsse verbindlich und finanzierbar sein. Und drittens müsse es eine „verantwortungsvolle Europa- und Außenpolitik im Rahmen unserer internationalen Verpflichtungen“ geben.

Im Bundestagswahlkampf hatte die SPD noch jegliches Zusammengehen mit den Linken ausgeschlossen, meist versehen mit dem Hinweis, die Partei sei in sich gespalten und in zentralen Fragen nicht regierungsfähig.

Linken-Fraktionschef Gregor Gysi sagte am Dienstag, bei Kampfeinsätzen der Bundeswehr sehe er inhaltlich wirklich ein Problem. Er begrüße die Öffnung, doch komme sie zu spät. Spannend werde nun, ob die SPD es auch in den Ländern ernst meine, sagte Gysi. So bestehe im nächsten Jahr bei der Landtagswahl in Thüringen die Möglichkeit, dass die Linken vor der SPD abschneiden, und dann ein linker Politiker Ministerpräsident einer gemeinsamen rot-roten Regierung werden könne.

Gysi sagte, auf seine Partei komme auch eine Herausforderung zu. Weder dürfe sie sich ausschließlich an der „Reinheit“ der eigenen Forderungen orientieren, noch prinzipienlos werden.

Die Union reagierte reserviert auf den Vorstoß. „Wenn ich mir das Bundestagswahlergebnis der SPD anschaue, habe ich nicht den Eindruck, dass der Partei ein weiterer Linksruck gut tun würde“, sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe auf Anfrage. Weitere Aussagen wollte er nicht machen, auch nicht auf die Frage, ob die CDU nun einen Koalitionsbruch der Sozialdemokraten mitten in der Legislaturperiode fürchtet.

Im SPD-Leitantrag wird das indirekt ausgeschlossen. Die Passage zu möglichen Links-Koalitionen wird mit einer Bemerkung zur großen Koalition und dem Satz „Die politische Entwicklung endet nicht mit dem Jahr 2017“ eingeleitet, zielt also auf die Zeit nach dem Ende der Legislaturperiode.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte auf die Frage, ob der Beschluss die Koalitionsverhandlungen zusätzlich belaste: „Warum sollten wir das der Union ersparen? Sie macht doch selbst nichts anderes.“ Nahles verwies dabei auf die Sondierungsgespräche der Union mit den Grünen.

Im Mittelpunkt des Treffens der 600 SPD-Delegierten werden am Donnerstag die Rede von Parteichef Sigmar Gabriel, die Aussprache dazu und seine Wiederwahl stehen. Erwartet wird ein Appell Gabriels zu politischem Realismus in den Koalitionsverhandlungen. Gabriel muss es gelingen, die misstrauischen Delegierten davon zu überzeugen, dass ein Zusammengehen mit der Union der SPD nicht schadet. Zugleich geht es um Ursachenforschung für das schlechte Wahlergebnis.