Luft für Steuersenkungen?

Finanzpolitik: Die Einnahmen des Staates steigen – aber nicht so stark, wie ursprünglich erhofft. Der weitere Steuer-Streit ist programmiert.

Berlin. Der Koalitionsstreit um Steuersenkungen geht nach der neuen Einnahmeprognose für die Staatskassen in eine neue Runde. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) erteilte nach den Zahlen des Schätzerkreises Forderungen nach raschen Milliarden-Entlastungen sowie zusätzlichen Ausgaben eine Absage. CSU-Chef Erwin Huber und Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) hingegen halten Steuersenkungen um 28 Milliarden Euro weiter für finanzierbar und verteidigten das entsprechende CSU-Konzept für eine kleine Steuerreform.

Zuvor hatte der Arbeitskreis "Steuerschätzung" die Hoffnungen auf einen zusätzlichen satten Steuersegen für den Staat gedämpft. Für dieses Jahr rechnen die Schätzer gegenüber der letzten Prognose vom November mit Mindereinnahmen von 1,2 Milliarden Euro für den Staat. Die sich abkühlende Konjunktur wird die Einnahmen im nächsten Jahr noch stärker drücken: Für den Gesamtstaat werden rund 4,0 Milliarden Euro weniger erwartet, als im Mai 2007 vorhergesagt.

Problematisch war diesmal für die Steuerschätzer, die Auswirkungen der Finanzmarktturbulenzen einzuschätzen. Viele deutsche Banken müssen wegen der Fehlspekulationen mit zweitklassigen US-Immobilienkrediten in ihren Bilanzen Wertberichtigungen vornehmen. Aus Risiken werden irgendwann auch echte Verluste, was die Zahlungen an den Fiskus drückt. Kein Experte kann aber derzeit das Ausmaß verhersagen.

Für 2010 gehen die Schätzer zurzeit von einem leichten Steuerplus von etwa 300 Millionen Euro aus. 2011 werden sogar Zusatzeinnahmen gegenüber der letzten Mai-Prognose von 6,4 Milliarden Euro erwartet.

Steinbrück erklärte dazu: "Spielräume für die Bedienung von Wunschlisten gibt es nicht." Dagegen sagte Glos nach der Schätzung: "Die aktuelle Steuerschätzung beweist: Steuersenkungen sind finanzierbar."

Ähnlich uneinig zeigten sich Finanzexperten. Die einen sagen, ab 2010 sei in der Staatskasse genug Geld, um den Bürgern einen Teil über Steuersenkungen zurückzugeben, so etwa die Forscher des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln. Doch andere Fachleute wie etwa vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung warnen, die Mehreinnahmen seien konjunkturbedingt.

Zuletzt hatte die CSU Steuerentlastungen ab 2009 vor allem für die Mittelschicht gefordert. Der Vorstoß findet auch unter CDU-Politikern zunehmend Anklang. Nach mehreren CDU-Mittelstandspolitikern sprach sich der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Fraktion, Gerald Weiß, dafür aus.

Konkret nannte er die Wiedereinführung der alten Pendlerpauschale sowie die Erhöhung von Kindergeld und Kinderfreibeträgen. "Ich sehe genau wie die CSU die Notwendigkeit, dass wir da schon 2009 drangehen müssen", sagte Weiß. Die CDU-Vorsitzende, Bundeskanzlerin Angela Merkel, hatte das CSU-Konzept zu Steuerentlastungen im Prinzip zwar begrüßt, aber auf vorheriger Haushaltssanierung bestanden.

In der SPD mehren sich derweil die Stimmen, die eine stärkere Belastung Reicher und - wie die CSU auch - eine Entlastung der Mittelschicht fordern. NRW- SPD-Chefin Hannelore Kraft sagte: "Die Mittelschicht ist der Hauptlastenträger in unserer Gesellschaft. Deshalb brauchen wir eine Steuerreform für die Mittelschicht." Der Spitzensteuersatz solle aber nicht gesenkt werden. "Damit der Mittelschicht mehr Netto vom Brutto bleibt, müssen wir die Steuerprogression für die mittleren Einkommen abflachen. Dies muss durch Umverteilungen solide gegenfinanziert werden, unter anderem durch niedrigere Einkommensgrenzen bei der Reichensteuer", sagte sie.