Wahl: Schlägt Serbien die Tür zur EU zu?

Analyse: Am Sonntag könnten die EU-Kritiker bei den Parlaments-Wahlen gewinnen.

Brüssel. Rudyard Kipling, Verfasser des "Dschungelbuches", schrieb: "Es ist Frühling, und das heißt: Es gibt Ärger auf dem Balkan." Mehr als hundert Jahre später hat sich daran nichts geändert. Am Sonntag wird in Serbien gewählt, erstmals seit der einseitigen Unabhängigkeitserklärung des Kosovo. Für Ärger ist gesorgt.

Hauptthema im Wahlkampf waren die EU-Integration des Landes und seine "territoriale Integrität", also der Anspruch auf die abtrünnige Provinz. Mit ihrer Stimme sorgen die Serben für wichtige Weichenstellungen: EU oder Russland? Europäischer Fortschritt oder Kosovo-Mythos? Integration oder Isolation?

Auf der einen Seite stehen die "Pro-Europäer", Präsident Boris Tadic und der Führer der Liberaldemokraten Cedomir Jovannovic; auf der anderen Ministerpräsident Vojislav Kostunica und Radikalen-Chef Tomislav Nikolic, die den Blick nach Moskau richten und ihre Rivalen des Vaterlandsverrats beschuldigen.

Die "Pro-Europäer" werden nach jüngsten Umfragen auf Unterstützung ausgerechnet durch die Partei angewiesen sein, die einst vom autokratischen Präsidenten Slobodan Milosevic geführt wurde: die sozialistische SPS. Im Wahlkampf haben die Sozialisten bestritten, als Hilfstruppe der "Europäer" zur Verfügung zu stehen. Aber nach vertraulichen Informationen aus der Partei ist die SPS nach der Wahl zum Kurswechsel bereit. Nicht auszuschließen ist, dass keines der beiden Lager auf eine Mehrheit kommt und das Land erneut an die Urne muss.

Für den schlimmsten Fall, dass Kostunica mit den Radikalen zusammen ans Ruder kommt, gibt es nach Auskunft von EU-Diplomaten "keinen Plan B". Man werde einer demokratisch korrekten Volksabstimmung Respekt zollen, dann die eigene Haltung davon abhängig machen, wie sich eine Regierung aus Nationalisten und Radikalen verhält.

Wenn eine solche Regierung auf Anti-EU-Kurs ginge, könnte die EU ihre Kontakte verengen: auf die Serbien-Task-Force, die den Weg zur EU-Aufnahme ebnen soll. EU-Chefdiplomat Javier Solana hat gesagt, er wolle am Samstag mit dem Gefühl zu Bett gehen, nichts unversucht gelassen zu haben, die Europafreunde in Serbien zu stärken. Ein Abkommen wurde geschlossen, Visabefreiung, Stipendien und Finanzhilfe wurden in Aussicht gestellt. "Die EU-Türe für Serbien steht auf", sagt Solanas Sprecherin Kristina Gallach.

Auch Jelko Kacin, Serbien-Berichterstatter des Europäischen Parlaments, hat Zweifel. "Und wenn Belgrad sich gegen Europa entscheidet, wird es Ärger geben, nicht nur in der Region, sondern in der ganzen EU."