Cyberkriminalität Mit dem „Chef-Trick“ plündern Kriminelle Unternehmen aus

Einen Gesamtschaden in Höhe von 31 Millionen Euro haben international agierende Banden alleine in NRW angerichtet.

Cyberkriminalität breitet sich immer weiter aus.

Foto: Boris Roessler

Düsseldorf. Mit dem „Chef-Trick“ haben international agierende Banden in Nordrhein-Westfalen in 39 Fällen einen Schaden in Höhe von 31 Millionen Euro angerichtet. Gestern schlug Uwe Jacob, Direktor des Landeskriminalamtes NRW, in Düsseldorf Alarm. Durch die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Banken habe man laut Jacob allerdings „rund 20 Millionen Euro davon einfrieren können“.

Bei dem „Chef-Trick“ nutzt ein Netzwerk von Tätern nach Angaben des LKA-Direktors modernste Mittel, um gezielt Mitarbeiter zu manipulieren und unter Druck zu setzen, die — zum Beispiel in der Finanzabteilung — befugt sind, Überweisungen zu tätigen. „98 Prozent der Fälle beginnen mit einer E-Mail, in der ein Mitarbeiter angeblich von seinem Chef unter strengster Vertraulichkeit angewiesen wird, eine große Summe — meist knapp unter einer Million Euro — an ein bestimmtes Konto zu transferieren. Natürlich sei Eile angebracht, weil es um ein wichtiges Geschäft gehe. Als Grund werden etwa Betriebsübernahmen, Beteiligungen oder ähnliches genannt.

„Diese Täter bereiten sich bis zu einem Jahr auf den Beutezug vor“, sagte Jacob. Die Wirtschaftskriminellen sammeln so viele Informationen wie möglich über ein Unternehmen, bevor sie zuschlagen. In einem Fall wurde einem Mitarbeiter zur 30-jährigen Betriebszugehörigkeit gratuliert, erst dann kam die Anweisung vom „Chef“, Geld zu überweisen. „Manchmal bekommen die Mitarbeiter sogar einen Anruf von ihrem vermeintlichen Vorgesetzten. Dazu nutzten die Täter modernste Technik zur Stimmenverzerrung. Meist sind in Unternehmen für Überweisungen zwei Unterschriften nötig — eine davon wird oft gefälscht. Wie einfach das sein kann, demonstrierte Jacob: „In acht Sekunden haben wir 161 000 entsprechende Unterschriften im Internet gefunden.“

Das Geld wird nach Erkenntnissen des LKA meist in den chinesischen Sprachraum gelotst, weil es dort rasch weitergeleitet werden kann, bevor der Betrug auffällt. „Wir gehen von einem großen Dunkelfeld aus und vermuten, dass viele Versuche, aber auch viele erfolgreiche Betrugstaten gar nicht angezeigt werden — aus Angst vor Vertrauensverlust, sagte Jacob.

Für Ronny Wolf, interner Ermittler der Commerzbank in Frankfurt, ist Prävention die einzige Möglichkeit der Unternehmen, sich vor den Kriminellen zu schützen. Die Firmen sollten laut Wolf klare Verhaltensregeln für deren Finanzabteilungen sowie Buchhaltungen festlegen und zudem die Mitarbeiter entsprechend schulen. „Besonders patriarchisch geführte Firmen sind gefährdet, auf diese Betrüger hereinzufallen“, so die Erfahrung von Wolf. Widerspruch werde dort oft nicht toleriert.

Überführte Täter kann Jacob in Nordrhein-Westfalen bisher nicht vorweisen. Lediglich im „norwegischen Raum“ habe man „ansatzweise Ermittlungserfolge“. Es habe Verhaftungen gegeben. Wie viele das waren, sagte der LKA-Direktor nicht.