Mladic wird von Serbien an UN-Tribunal überstellt

Belgrad (dpa) - Der mutmaßliche serbische Kriegsverbrecher Ratko Mladic wird voraussichtlich schon in Kürze an das UN-Tribunal in Den Haag ausgeliefert. Alle Voraussetzungen dafür seien erfüllt, sagte Gerichtssprecherin Maja Kovacevic-Tomic in Belgrad.

Mladic habe jetzt bis Montag Zeit, Beschwerde einzulegen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft kann die Auslieferung „spätestens in sieben Tagen“ über die Bühne gehen. Mladic wird tausendfacher Mord vorgeworfen, er wird unter anderem für das Massaker von Srebrenica verantwortlich gemacht.

Bis zuletzt versuchten Angehörige Mladics, eine Überstellung zu verhindern. Die Familie wollte durchsetzen, dass der 69-Jährige in ein Krankenhaus gebracht wird, weil er zu gebrechlich für ein Gerichtsverfahren sei. Dies lehnte das Gericht nach Angaben des Anwalts von Mladic ab. „Der Richter hat gesagt, die Ärzte hätten festgestellt, dass mein Mandant fähig ist, den Gerichtsprozess zu verfolgen.“

Eine erste Vernehmung war am Donnerstagabend abgebrochen worden, weil sich der Ex-Militärchef der bosnischen Serben als schwacher, kranker Mann präsentierte, der sich kaum mitteilen kann. Sein Sohn Darko wollte nach eigenen Angaben erreichen, dass er statt nach Den Haag in ein Krankenhaus gebracht wird. Sein schlechter medizinischer Allgemeinzustand erlaube keine Reise in die Niederlande.

Staatsanwalt Bruno Vekaric widersprach Augenzeugen, die Mladic als demenzkranken alten Mann mit eingeschränkter Zurechnungsfähigkeit dargestellt hatten. Die angebliche Gebrechlichkeit sei nur Teil seiner Verteidigungstaktik, so der Behördensprecher. Er habe Mladic als Mann erlebt, der seine Lage sehr wohl einschätzen und am Verfahren teilnehmen könne. Mladic verweigerte am Freitag die Annahme der Anklageschrift des UN-Tribunals - für den Fortgang des Verfahrens hat das aber keine Bedeutung.

Mladic war 1995 wegen des Massakers von Srebrenica angeklagt worden. Im Sommer 1995 hatten serbische Soldaten nach der Eroberung der UN-Schutzzone Srebrenica in Bosnien rund 8000 muslimische Männer und Jugendliche ermordet und in Massengräbern verscharrt. Auch die jahrelange Belagerung von Sarajevo und die vielen Toten in der bosnischen Hauptstadt werden Mladic angelastet, ebenso wie „ethnische Säuberungen“ und Gräuel in Internierungslagern.

Nach serbischen Presseberichten wurde Mladic am Donnerstag von den Einsatzkräften im Schlaf überrascht. Der Ex-General sei am Morgen „aus dem Bett heraus verhaftet“ worden, berichteten die Zeitungen am Freitag. Seine angeblich umfangreiche Leibwache, die ihn bei einer Festnahme hätte erschießen sollen, sei weit und breit nicht in Sicht gewesen. Auch seien keine modernen Kommunikationsmittel wie Handy oder Laptop gefunden worden.

Bei dem Haus seines Onkels im Dorf Lazarevo - eine Autostunde nordwestlich von Belgrad - handele es sich um „ein typisches Bauernhaus“, hieß es. Das Gebäude sei in der Vergangenheit von den Sicherheitskräften mehrmals ohne Ergebnis durchsucht worden, Mladic sei erst vor zwei Wochen dort eingetroffen. Zuvor habe er sich in der Umgebung von Belgrad versteckt gehalten. Schon früher hatten die Verfolger herausgefunden, dass Mladic seine Verstecke in schneller Folge wechselte.

Bei seiner Festnahme habe er „eine ganze Tüte voller Medikamente“ besessen, berichtete die Zeitung „Blic“ unter Berufung auf die Ermittlungsbehörden. Diese Arzneimittel habe er nicht ohne Hilfe eine Arztes beschaffen können. Nach dem medizinischen Check Mladics durch die Amtsärzte schreiben diese nun vor, welche Arzneien der 69-Jährige nehmen soll.

Mladic war nach dem Bosnienkrieg 1995 untergetaucht. Die zehn Millionen Euro, die der Staat für seine Ergreifung ausgelobt hatte, bleiben allerdings im Staatssäckel. Es gebe niemanden, der den entscheidenden Tipp gegeben habe, sagte Justizstaatssekretär Slobodan Homen dem Belgrad TV-Sender B92. Der 69-Jährige sei „im Rahmen der normalen operativen Arbeit der serbischen Sicherheitsorgane“ gefasst worden. Die USA hatten zusätzliche 5 Millionen Dollar für Mladics Ergreifung ausgelobt.

Auf aktuellen Fotos sei Mladic nicht wiederzuerkennen, berichteten Medien in Belgrad. Sie veröffentlichten Porträts des Ex-Generals, auf denen er abgemagert und mit schütterem Haar erscheint. Sein rechter Arm sei nach einem Schlaganfall steif geblieben. Auf anderen Fotos, die zehn Jahre alt sind, ist Mladic noch als fülliger, vitaler Mann zu sehen.

Serbiens Präsident Boris Tadic hatte klargemacht, dass Belgrad nun als Gegenleistung für die Festnahme von Mladic einen zügigen EU-Beitritt erwarte. Dagegen sprach der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, von einer „Bringschuld Serbiens“. Für die Festnahme von Kriegsverbrechern könne das Land keine Gegenleistung erwarten, sagte Ischinger im Deutschlandfunk.