Nanga Parbat: Mörder kamen in der Nacht ins Basislager
Bergsteiger wollten den Nanga Parbat bezwingen. Stattdessen werden sie von Taliban getötet.
Islamabad. Die ausländischen Bergsteiger hatten das Basislager am Nanga Parbat im Norden Pakistans erst am Samstagabend erreicht. Monatelang müssen sich die Männer auf den extrem schwierigen Aufstieg auf den neunthöchsten Berg vorbereitet haben, der schon viele Alpinisten das Leben kostete. Womit die Expeditionsteilnehmer nicht rechnen konnten: Nicht vom Berg ging tödliche Gefahr aus, sondern von den pakistanischen Taliban.
Kurz nach Mitternacht drangen Taliban-Kämpfer am Sonntag in das Basislager ein. Zur Tarnung trugen die Angreifer Uniformen der Grenztruppen. Möglicherweise schliefen die ahnungslosen Touristen, als sie in ihren Zelten ermordet wurden. Fünf Ukrainer, drei Chinesen, ein Litauer und ein nepalesischer Sherpa starben, wie das Innenministerium mitteilte. Außerdem wurde ein pakistanischer Koch getötet. Einem chinesischen Bergsteiger gelang die Flucht.
Wenige Stunden später bekannte sich die Dachorganisation der pakistanischen Taliban (TTP) zu dem Massaker im Hochgebirge. Die bizarre Begründung: Mit dem Angriff nehme man Rache für einen Drohnenangriff der USA, bei dem TTP-Vize Wali ur Rehman Ende Mai getötet wurde. „Wir haben damit eine Nachricht an die internationale Gemeinschaft gesandt, dass die USA mit den Drohnenangriffen aufhören müssen.“
Die pakistanischen Taliban sind berüchtigt für ihre Brutalität, die die ihrer afghanischen Namensvettern häufig noch übertrifft. Wahllos ausländische Bergsteiger — unter denen kein einziger Amerikaner ist — als Vergeltung für US-Drohnenangriffe zu ermorden, folgt allerdings selbst nach den verschrobenen TTP-Maßstäben einer kaum mehr nachvollziehbaren Logik. Die Nachricht, die tatsächlich bei der Staatengemeinschaft ankommen dürfte, ist: Niemand in Pakistan ist mehr sicher vor den Extremisten.
Pakistan, wo in einigen Regionen spektakulär schöne Landschaften zu bestaunen sind, ist noch nie ein prominentes Urlaubsziel gewesen. Und die Furcht vor den Taliban ist groß. Das Auswärtige Amt hat eine „Teilreisewarnung“ erlassen, in der vor Reisen in bestimmte Gegenden gewarnt wird. Die Region Gilgit-Baltistan — in der nun das Blutbad stattfand — gehörte bislang nicht dazu. Gilgit-Baltistan war die letzte Gegend in Pakistan, in die überhaupt noch ausländische Touristen reisten.
Nach Angaben des pakistanischen Alpinclubs fanden dort 2012 knapp 90 internationale Expeditionen mit durchschnittlich sieben bis acht Teilnehmern statt, die meisten davon aus Europa. Verglichen mit populären alpinen Reisezielen wie Nepal ist das nicht viel. Nach dem Massaker wurden am Sonntag alle Expeditionen am Nanga Parbat abgebrochen.