Die Briten reagieren gelassen auf die Lauschangriffe des Geheimdienstes

Nach Bekanntwerden der Abhörpraktiken mauert die Politik. Nur Internetaktivisten sind entsetzt und fordern Kontrollen.

London. Sind Großbritanniens Dienste noch überwachungswütiger als ihre amerikanischen Kollegen? Dieser Vorwurf des durch den US-Datenskandal weltbekannt gewordenen Informanten Edward Snowden hat Politik und Medien in London am Wochenende bemerkenswert kühl gelassen. Der Bericht der Zeitung „Guardian“ vom Freitag löste — abgesehen von Netzaktivisten und Menschenrechtsorganisationen — wenig Reaktionen aus.

Fast wirkt es unter Kommentatoren aller Richtungen, als gebe es eine Art stilles Übereinkommen, dass harte Überwachungs-Maßnahmen in gefährlichen Zeiten angebracht sein könnten. Die Geheimdienste hätten es durch ihr Vorgehen geschafft, mehrere Terror-Zellen etwa in London und Luton aufzudecken, bevor diese ihre Anschlagspläne umsetzen konnten, hieß es beim Fernsehsender „Sky“. In der mit Überwachungskameras überzogenen britischen Hauptstadt ist die Erinnerung an die Terroranschläge auf die U-Bahn und einen Bus im Jahr 2005 mit mehr als 50 Toten und Hunderten Verletzten noch präsent.

Aus den obersten Reihen der Politik auf der Insel kam keine Reaktion, so dass der Sender BBC sogar an erster Stelle Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zitierte. Die FDP-Politikerin sprach von einem „Alptraum à la Hollywood“. Die britische Überwachungs-Agentur GCHQ (Government Communications Headquarters) sei noch „schlimmer als die USA“, hatte Snowden, bis vor kurzem noch IT-Spezialist im Dienst des US-Geheimdienstes NSA, behauptet.

Drängender wird in London nun vor allem die Frage nach neuen Gesetzen im Zeitalter des explodierten Datenaustausches rund um die Welt. Die britische Regierung hatte schon vorvergangene Woche Vorwürfe zurückgewiesen, Informationen des US-Geheimdienstes NSA genutzt zu haben. Alles laufe im Rahmen der bestehenden Gesetze ab, hieß es offiziell.

Der international bislang nur Experten bekannte Geheimdienst GCHQ betonte auch mit Blick auf die neuesten Enthüllungen, man halte sich „kompromisslos“ an die juristischen Vorgaben. Dass das wohl stimme, schreibt selbst der „Guardian“, der mit seinen Berichten über Snowden vor zwei Wochen die Datenüberwachungs-Affäre mit bis dahin unvorstellbaren Ausmaßen losgetreten hatte. Das Blatt wirft die Frage auf, ob das Gesetz nicht deutlich zu weit interpretiert wird, wenn sie das Sammeln von Datenmassen erlauben.