Politik Neue Details aus dem Bamf machen Berlin nervös
Berlin. Was kommt da noch? Auch nach der fünfstündigen Sondersitzung des Innenausschusses am Dienstagabend war das Ausmaß der Affäre beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) noch unklar.
Andeutungen der suspendierten Leiterin der Bremer Außenstelle, wo eventuell sogar 4500 Asylentscheide unrechtmäßig getroffen wurden und wieder rückgängig gemacht werden müssen, machen Berlin jetzt nervös.
Aktuell sei überhaupt erst ein Drittel des Skandals bekannt, da komme noch viel mehr, soll die 57-Jährige Ulrike B. der „Bild“-Zeitung gesagt haben. Das Bundesinnenministerium wehrte am Mittwoch rasch ab: „Derzeit haben wir dafür keine Anhaltspunkte.“ Fakt ist jedoch: Die internen Prüfungen, auch in zehn anderen Außenstellen des Bamf, laufen noch.
Allein in Bremen kontrolliert eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft 18.000 Fälle neu. Im politischen Berlin rechnet jeder damit, dass weitere Ungereimtheiten und Facetten der Affäre um unrechtmäßig bewilligte Asylbescheide ans Tageslicht kommen. Zumal auch der Bundesrechnungshof von Innenminister Horst Seehofer (CSU) eingeschaltet worden ist, der die Chronologie der Abläufe in seinem Haus und beim Bamf unter die Lupe nimmt.
Die Behörde prüft zugleich, ob die Fachaufsicht versagt hat, also das Innenministerium und damit Seehofers Vorgänger Thomas de Maizière (CDU). Dem Vernehmen nach hat es zwischen ihm und Seehofer bisher noch keinen direkten Kontakt bezüglich der Affäre gegeben. Künftig, so Seehofer, gelte jedoch wieder Qualität vor Schnelligkeit. Aus dem Innenministerium hieß es, die Bamf-Mitarbeiter hätten einfach zu viele Fälle auf dem Tisch. Auch wenn sich nun wieder in einzelnen Behörden ein Aktenstau ergebe, werde man dennoch genau prüfen.
Mitglieder des Innenausschusses zeigten sich am Mittwoch verärgert über die Andeutungen der abgesetzten Bremer Bamf-Leiterin, gegen die staatsanwaltlich ermittelt wird. SPD-Innenexperte Burkard Lischka sagte unserer Redaktion: „Die Äußerungen von Frau B. machen mich nahezu sprachlos.“ Sie habe es schließlich in der Hand aufzuklären. „Sie hat ganz offensichtlich seit 2013 Recht und Gesetz gebrochen und dabei explizit zwei Anwaltskanzleien bevorzugt.“ Doch statt ihr Handeln zu erklären, „sucht sie die Schuld nur bei anderen“, kritisierte Lischka. FDP-Ausschussmitglied Stephan Thomae betonte auf Nachfrage: „Die Aussage überrascht wenig. Wir erfahren nahezu stündlich von neuen Details des Skandals aus der Presse.“ Die vollumfängliche Aufklärung könne daher nur ein Untersuchungsausschuss leisten. „Allein mit Sondersitzungen ist es nicht getan“, betonte Thomae.
Doch derzeit sieht es nicht nach einem Untersuchungsausschuss des Bundestages aus. Nur die FDP und die AfD sind dafür. Das reicht nicht für eine Einsetzung durch das Parlament. Stattdessen will der Innenausschuss Mitte Juni zu einer weiteren Sondersitzung zusammenkommen, um noch einmal Bamf-Chefin Jutta Cordt, aber auch ihre Vorgänger Frank-Jürgen Weise und Manfred Schmidt anzuhören. Weise war auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 von Kanzlerin Angela Merkel kurzfristig in das Amt berufen worden, um für Ordnung in der überforderten Behörde zu sorgen. Noch verschont werden sollen Ex-Innenminister de Maizière und der heutige Wirtschaftsminister Peter Altmaier (beide CDU), der damals Flüchtlingskoordinator der Regierung gewesen ist. Ob beide irgendwann doch noch in den Ausschuss geladen werden, dürfte davon abhängen, welche Weiterungen der Skandal in den nächsten Tagen und Wochen nimmt.