Berlin/Essen. Ist es Angst oder Trägheit? Laut Umfragen sind die meisten Deutschen bereit, nach ihrem Tod Organe zu spenden - doch kaum einer unterschreibt einen Spenderausweis. Warum bekennt sich nur jeder Sechste zur Organspende?
Die meisten können oder wollen sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht festlegen. 72 Prozent der unter 25-Jährigen und immerhin noch 46 Prozent der Menschen zwischen 56 und 75 Jahren schieben die Entscheidung vor sich her. "Für die meisten ist Organspende ein Nebenthema", so Birgit Blome von der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO). "Es wird erst wichtig, wenn sie in der Familie oder im Bekanntenkreis einen Fall hautnah mitbekommen."
Eine gestern in Berlin vorgestellte Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zeigt: Rund jeder Zweite hat Angst vor Missbrauch und Organhandel. Bei den Älteren kommt hinzu: Viele glauben, sie seien zu krank oder zu alt, um Organspender zu sein. Jeder Vierte fürchtet zudem, die Ärzte würden im Notfall nicht alles zur Lebensrettung tun, wenn sie beim Patienten einen Spenderausweis finden.
Seit Jahren vertrauen die meisten in dieser Frage dem eigenen Arzt: Für knapp 60 Prozent ist der Hausarzt der wichtigste Berater. Familienmitglieder spielen für 30Prozent eine wichtige Rolle, andere wie Apotheker, Pfarrer oder Mitarbeiter in Beratungsstellen werden kaum genutzt.
Dafür spricht das große Vertrauen der Patienten. Dagegen spricht: Ein solides Beratungsgespräch über die Organspende kostet Zeit. "Ein halbe Stunde ist schon nötig", sagt Ulrike Wirges, geschäftsführende Ärztin der DSO in NRW. Wer bezahlt das? Hinzu kommt: Nicht jeder Allgemeinmediziner sei gut genug geschult, um seine Patienten über das Transplantationsverfahren informieren zu können.
Landesweit warten 3900 Patienten auf ein lebensrettendes Spenderorgan. Bei den Organspenden gilt NRW als Klassenprimus: Während bundesweit die Zahlen im letzten Jahr einbrachen, stiegen sie in NRW weiter an - auch in den ersten Monaten dieses Jahres setzte sich der Trend fort.
Laut Gesetz hatten die 335 NRW-Kliniken mit Intensivbetten bis Ende 2008 Zeit, einen Transplantationsbeauftragten zu benennen. "In 85 Kliniken gibt es immer noch keinen", so Ulrike Wirges von der DSO. Die Transplantationsbeauftragten sollen in den Kliniken dafür sorgen, dass mögliche Spender erkannt werden.