Wird zu Guttenberg der neue Friedrich Merz der Union?

Parteien: Der Wirtschaftsflügel hofft auf einen neuen Verteidiger marktwirtschaftlicher Prinzipien.

Berlin. Dass sie Meinungsverschiedenheiten in Sachen Opel hatten, hat sich nun hinlänglich herumgesprochen. Gestern wollten die Kanzlerin und ihr Wirtschaftsminister aber allen zeigen, dass sie trotz allem weiter gut zusammenarbeiten wollen. Angela Merkel und Karl-Theodor zu Guttenberg stellten sich zu Beginn einer Veranstaltung in Berlin demonstrativ den Fotografen. Auch in ihrer Rede zeigte sich Merkel gar nicht gram über die Dickköpfigkeit im Wirtschaftsressort.

"Ich respektiere trotzdem die Bedenken auch des Bundeswirtschaftsministers, und ich möchte an dieser Stelle ein ausdrückliches ,Dankeschön’ sagen", merkte Merkel zu ihrem Opel-Dissens an. Guttenberg habe mit seinen Bedenken auch die Interessen des deutschen Staates zu vertreten.

Normalerweise sind Kabbeleien auf offener Bühne Gift für das Ansehen der Union. "Zwei Wochen Streit und schon gehen wir zwei Prozentpunkte in den Umfragen runter", stöhnte vor einigen Wochen ein Unions-Oberer. Damals hatten sich in der CDU einen halben Monat lang die Gemüter darüber erhitzt, ob die Union in ihrem Wahlprogramm nun Steuersenkungen trotz Krise und Staatsverschuldung versprechen darf. Mehrmals hatte Merkel in den Gremien zur Disziplin aufgerufen.

Den Dissens mit Guttenberg sieht Merkel derzeit nicht dramatisch. Auch in ihrem Umfeld wird darauf verwiesen, dass es schließlich das gute Recht eines Wirtschaftsministers sei, auf die Risiken eines Opel-Rettungsmodells hinzuweisen, das im Grunde die zwischenzeitliche Verstaatlichung eines Großunternehmens bedeutet. Es sei zu Guttenberg nicht anzukreiden, wenn er auf eine ordnungspolitische Linie achte.

Hinter der milden Beurteilung schwingt die Hoffnung mit, dass zu Guttenberg als Verteidiger der Prinzipien der Marktwirtschaft der neue Friedrich Merz der Union werden könnte. Seit Merz vor gut vier Jahren seinen langen Marsch raus aus der Politik angetreten hat, sucht die Partei nach einem Nachfolger. Und weil der bislang nicht sichtbar war, wurde wie beim Parteitag im Dezember jeder Auftritt von Merz stellenweise so bejubelt, als stünde er noch als Hoffnungsträger zur Verfügung.

Zu Guttenberg könnte nun der neue Merz sein - und dies nicht nur, weil er ebenso geschmackssicher bei Krawatten ist wie dieser. Wie der Sauerländer kann der Franke ebenso schneidig im Ton in die Mikrofone sagen, dass der Staat eben nicht der bessere Unternehmer sei und dass das Geld der Steuerzahler zusammengehalten werden müsse. So etwas freut den Wirtschaftsflügel und Teile der Anhängerschaft der Union, die vielleicht schon in Gedanken zur FDP übergelaufen waren.

Merkel kann zu Guttenberg von daher zunächst gewähren lassen, weil er einen Teil der Wählerschicht abdeckt. Zudem ist Guttenberg pflegeleichter als Merz, dem Merkel 2002 den Posten als Fraktionschef raubte und der seitdem auf die CDU-Vorsitzende alles andere als gut zu sprechen ist. Zu Guttenberg darf aber nicht übertreiben und gar den Krisen-Kurs der Chefin konterkarieren. Merkel will das Volk nicht alleinlassen. Zu stark darf da nicht mit Begriffen wie "geordnete Insolvenz" gespielt werden.