Papstbesuch: „Es wurde gebetet, es flossen Tränen“
Washington. Benedikt traf sich in den USA mit sechs Opfern pädophiler Priester. Das Treffen dauerte 25Minuten.
Schon im Vorfeld seiner sechstägigen USA-Reise hatte Papst Benedikt XVI. anklingen lassen, dass ihm der Skandal um pädophile Priester ein besonderes Anliegen sei. Seinen Worten ließ er nun Taten folgen. Völlig überraschend kam es in Washington zu einer persönlichen Begegnung mit Opfern des sexuellen Missbrauchs.
Im Mittelpunkt des dritten Besuchstags stand zwar eine Messe vor mehr als 46 000 Gläubigen im nagelneuen Baseballstadion der Washington Nationals. Doch emotionaler Höhepunkt war ein Treffen, das nicht auf der Tagesordnung gestanden hatte: In einer Kapelle auf dem Gelände der diplomatischen Vertretung des Vatikans traf sich der Papst nach der Messe 25 Minuten lang mit sechs heute erwachsenen Opfern.
Sie waren aus Boston, dem Haupt-Schauplatz des Skandals, nach Washington gefahren, um dem Pontifex von ihren Erfahrungen zu berichten. "Es wurde zusammen gebetet, auch hatte jedes der Opfer die Gelegenheit zu einem Vier-Augengespräch mit dem Heiligen Vater", so Federico Lombardi, ein Sprecher des Papstes. "Er sprach ihnen Mut zu, es flossen Tränen", sagte Lombardi.
Einer der Teilnehmer, Bernie McDaid, berichtete im US-Fernsehen von dem Treffen. "Ich wollte ihm klarmachen, dass wir nicht nur sexuell missbraucht, sondern auch seelisch misshandelt wurden", erklärte McDaid. "Ich sagte, dass es sich bei dem Skandal um einen Krebs handelt, der sich in der katholischen Kirche immer weiter ausbreiten kann. Und dass der Vatikan dagegen etwas unternehmen muss." Der Pontifex habe zustimmend genickt. "Ich glaube, dass er mich verstanden hat", so McDaid.
Bostons Kardinal Sean O’Malley, der an dem privaten Gebet ebenfalls teilnahm, überreichte Benedikt XVI. ein Heft mit den Namen von jungen Männern aus der Erzdiözese Boston, die von Priestern missbraucht wurden. Die Liste umfasst mehr als tausend Namen.
Nach der privaten Begegnung bekräftigte der Pontifex erneut, dass der Skandal für die Kirche "zutiefst beschämend" sei. Die Opfer hätten "gewaltigen Schmerz" empfunden und unter dem "gravierend unmoralischen Verhalten der Priester" schwer gelitten. Er werde alles Erdenkliche unternehmen, um Pädophile vom Priestertum fernzuhalten.
Während der vergangenen 60 Jahre sahen sich in den USA mehr als 4000 Priester dem Vorwurf der Pädophilie ausgesetzt. Ernsthaft verfolgt wurden die Missbräuche aber erst nach dem Auffliegen eines Skandals in Boston um einen Serienvergewaltiger.
Den Opfern wurden insgesamt zwei Milliarden Dollar Schmerzensgeld gezahlt, was sechs Diözesen in den Bankrott trieb. Obwohl es zunächst hieß, dass Benedikt nur anlässlich einer Messe im Yankee Stadion in New York die Skandale ansprechen werde, sind sie nun in den Mittelpunkt des Besuchs gerückt und werden nach dem Aufenthalt in der US-Hauptstadt auch weiterhin beherrschendes Thema der Begegnungen in New York sein.