Protest gegen Ägyptens Präsident Mursi hält an
Kairo (dpa) - Der Druck auf Ägyptens islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi zum Verzicht auf seine Machtausweitung nimmt weiter zu. Dem seit Sonntag andauernden Streik der Richter schlossen sich am Mittwoch auch die Richter des Revisionsgerichts an.
Auf dem zentralen Tahrir-Platz in Kairo und in anderen Städten des Landes kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Die Opposition wirft dem von den Muslimbrüdern aufgestellten Staatschef Mursi diktatorische Machenschaften vor.
Mursi hatte dem Verfassungsgericht am vergangenen Donnerstag das Recht abgesprochen, über die Rechtmäßigkeit seiner Dekrete zu befinden. Daraufhin waren zahlreiche Richter in den Streik getreten. Die Verfassungsrichter warfen Mursi und der Muslimbruderschaft am Mittwoch eine Rufmordkampagne vor.
Die Richter wollen erzwingen, dass Mursi die Entscheidungen zurücknimmt, mit denen er sich und den von Islamisten dominierten Verfassungsrat dem Zugriff der Justiz entzogen hatte. Der Bürochef des Präsidentenamtes, Mohammed al-Tahtawi, schloss einen Rückzieher Mursis jedoch kategorisch aus. Das berichteten lokale Medien.
Der Vize-Parteichef der Partei der Muslimbrüder (FJP), Essam al-Arian, sagte in einem TV-Interview beschwichtigend, die Verfassungserklärung sei nur befristet. Sie werde mit dem Inkrafttreten einer neuen Verfassung null und nichtig. Das von Islamisten dominierte Verfassungskomitee will eine neue Verfassung nun im Eilverfahren durchpauken.
Das Komitee kündigte am Mittwoch an, es werde seine ursprünglich für Dezember geplante abschließende Debatte über den Entwurf für eine Verfassung auf diesen Donnerstag vorziehen. Anschließend sollen die Mitglieder des Komitees über den Entwurf abstimmen. Danach wird er dem Präsidenten vorgelegt. Das Volk soll dann möglichst schnell über die Verfassung entscheiden. Einen Termin dafür gibt es noch nicht.
25 Liberale und Christen hatten das Verfassungskomitee in den vergangenen Wochen unter Protest verlassen. Sie warfen den Islamisten vor, diese gingen nicht auf ihre Vorschläge ein und seien nur daran interessiert, die Vormachtstellung ihrer Parteien über eine maßgeschneiderte Verfassung abzusichern.
Beobachter vermuten, dass die Islamisten hoffen, bei einem vorgezogenen Referendum eine Mehrheit zu bekommen, indem sie den Bürgern die neue Verfassung als Alternative zur umstrittenen Verfassungserklärung von Präsident Mursi präsentieren. Amr Darrag, der Generalsekretär des Verfassungskomitees, sagte nach Angaben lokaler Medien, eine Beschleunigung des Verfassungsprozesses sei der beste Weg aus der aktuellen Krise.
Auf dem Tahrir-Platz in Kairo richteten sich nach der großen Protestaktion vom Dienstagabend Hunderte Oppositionelle auf eine Dauer-Protestaktion gegen die Islamisten ein. Die Polizei attackierte sie nach Angaben von Augenzeugen mit Tränengas. Die Muslimbrüder riefen ihrerseits für kommenden Samstag zu landesweiten Solidaritätskundgebungen für Mursi auf.
In der Nacht war es in zahlreichen nördlichen Provinzstädten zu Straßenkämpfen gekommen. In der Industriestadt Al-Mahalla zählte man am Morgen 300 Verletzte. In Damanhur und Alexandria kam es zu Angriffen auf Büros der Muslimbruderschaft. In Al-Mansura setzten Gegner der Islamisten nach Angaben der Zeitung „Al-Masry Al-Youm“ das Büro der Partei der Muslimbrüder in Brand. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums vom Mittwoch wurden bei den Protesten seit Dienstag mindestens 260 Menschen verletzt.