Prozess gegen Sauerland-Zelle beginnt Mittwoch in Düsseldorf

Düsseldorf. Es war die größe Ermittlungsaktionder deutschen Kriminalgeschichte: Monatelang hatten rund 600 Beamte dieIslamisten rund um die Uhr observiert, ehe Elitepolizisten der GSG 9 am4.

September 2007 im sauerländischen Medebach-Oberschlehdorn zugriffen.

Mit der Festnahme von drei Terrorverdächtigen in einem Ferienhausverhinderten die Fahnder nach eigenen Angaben Sprengstoffanschläge inDeutschland, die womöglich verheerender gewesen wären als die Attentatevon Madrid und London. Von Mittwoch an muss sich das Trio mitsamt einemspäter festgenommenen Helfer der sogenannten Sauerland-Zelle inDüsseldorf vor Gericht verantworten.

Auf Geheiß der Terrorgruppe Islamische Dschihad-Union (IJU) sollen dieAngeklagten Autobombenanschläge auf US-Bürger und amerikanischeEinrichtungen in Deutschland vorbereitet haben. Als Ziele nahmen sielaut Anklage Gaststätten, Discos und Flughäfen ins Visier, unteranderem in Großstädten wie Frankfurt, Köln, Düsseldorf, Stuttgart undMünchen.

Auch die hiesige Botschaft Usbekistans war nach Erkenntnissender Ermittler eines der Anschlagsziele - auf Anordnung der IJU-Führung.Die Sprengsätze sollten demnach Ende September oder Anfang Oktober 2007detonieren, kurz vor der Bundestagsentscheidung über die Verlängerungdes Afghanistan-Mandats der Bundeswehr.

Die Spur der Männer, die laut Anklage im pakistanisch-afghanischenGrenzgebiet ein Terrortraining absolviert hatten, nahmen die ErmittlerAnfang 2007 nach Hinweisen des US-Geheimdienstes auf. Die verdecktenNachforschungen im Zuge der Operation „Alberich“ führten zu dendeutschen Konvertiten Fritz G. (29) und Daniel Sch. (23) sowie dem30-jährigen türkischen Staatsbürger Adem Y.

Monatelang wurde die Gruppenun observiert - Telefone wurden abgehört, Wohnräume und Autosakustisch überwacht. Bis zu ihrer Festnahme besuchten die Verdächtigenallein 200 Mal insgesamt 60 verschiedene Internet-Cafes, stets unterden Augen der Fahnder.

Als die Beamten im Spätsommer 2007 in dem beschaulichen Dorf imSauerland zuschlugen, hatten die drei Männer laut Anklage gerade mitder Herstellung eines explosionsfähigen Gemischs begonnen. Für denBombenbau hatten sie sich zuvor zwölf Fässer mit 700 KilogrammWasserstoffperoxid beschafft.

Daraus wollten die Angeklagten denErmittlern zufolge drei Bomben mit einer Sprengkraft von insgesamt 410Kilogramm TNT bauen, die zeitgleich in Mietautos detonieren sollten.Entsprechende Sprengsätze verwendeten auch die Urheber derTerroranschläge von Djerba und Casablanca. „Durch die Autobomben solltees möglichst viele Tote geben“, heißt es in Kreisen der Fahnder.

Freilich wussten die Islamisten nicht, dass die Ermittler bereits imJuli 2007 die Chemikalie in den Fässern gegen eine stark verdünnte unddamit ungefährliche Flüssigkeit ausgetauscht hatten. Außerdem erwiesensich die meisten der 26 Zünder für die Sprengsätze bei späterenUntersuchungen als funktionsunfähig. Die Zünder soll der deutscheStaatsbürger Attila S. (24) in der Türkei beschafft haben. Er wurde imvergangenen November von der Türkei ausgeliefert und sitzt nun alsvierter Beschuldigter im Hochsicherheitstrakt des DüsseldorferOberlandesgerichts.

Wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung,Anschlagsvorbereitung und Verabredung zum Mord müssen sich die Männerauf lange Haftstrafen von bis zu 15 Jahren einrichten. Sch. droht sogarlebenslang wegen Mordversuchs: Er soll bei der spektakulärenFestnahmeaktion im Sauerland einem Polizisten die Dienstwaffe entrissenund daraus einen Schuss abgefeuert haben. Durch das Projektil wurdeniemand verletzt.

Doch ehe der Düsseldorfer Staatsschutzsenat unter dem erfahrenenTerrorismusrichter Ottmar Breidling die Urteile im Sauerland-Prozessverkünden wird, dürften mindestens zwei Jahre ins Land ziehen. Alleinedie Prozessunterlagen füllen gut 530 Aktenordner, mehr als dreimal soviele wie beim Verfahren gegen den Kofferbomber von Köln. Ihnverurteilte dasselbe Gericht im Dezember zu lebenslanger Haft - nachimmerhin einem Jahr Verhandlungsdauer.