Radovan Karadzic zeigt keine Reue
Früherer bosnischer Serbenführer verteidigt sich vor Gericht.
Den Haag. Sieht so ein Massenmörder aus? Ein fast schlohweißer Haarschopf, buschige Brauen, ein scharfkantiges Gesicht, stets wache Augen. Maßanzug mit Schlips und Kragen. Dazu ein souveränes Auftreten.
Als Radovan Karadzic am Montag vor dem UN-Tribunal für das ehemalige Jugoslawien zu einer stundenlangen Verteidigungsrede ausholt, wirkt er nicht wie ein Angeklagter. Eher wie ein Geschichtsprofessor, der die Welt über ein paar bedauerliche, allerdings bislang von vielen, unter ihnen die Staatsanwälte, falsch beurteilte Entwicklungen auf dem Balkan aufklären will.
"Alles, was wir Serben getan haben, war, uns zu verteidigen", hält er dem Gericht mit fester Stimme auf Serbokroatisch entgegen. Manchmal spricht er so schnell, dass die Simultandolmetscher zu Höchstleistungen auflaufen müssen. Karadzic beherrscht die englische Sprache, aber er besteht auf Übersetzung.
Das Gericht soll die Sprache seiner stolzen Nation hören, der Serben, die "in Bosnien jahrhundertelang unterdrückt wurden". Und daheim, wo seine Worte natürlich im Original zu hören sind, soll klar werden: Hier steht einer von uns vor Gericht. Einer, der nichts weiter getan hat, als sein Volk gegen eine Verschwörung bosnischer Muslime und Kroaten mit der Nato zu beschützen, die einzig und allein Machtinteressen des Westens verfolgt habe.
Alles, was der amerikanische Ankläger Alan Tieger und die deutsche Staatsanwältin Hildegard Uertz-Retzlaff mit ihrem Team gegen ihn zusammengetragen haben, all die Zehntausenden von Seiten an Beweismaterial, sei nichts weiter als eine "Fabrikation". Hauptziel der Staatsanwaltschaft sei, "dieses Tribunal zu einem Disziplinierungsinstrument der Nato für mich zu machen".
Dieser entschlossene, in Dosierungen auch mal wütend wirkende Mann soll der Hauptverantwortliche für das Massaker an rund 8.000 Muslimen in Srebrenica sein - mithin für den schlimmsten Massenmord in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Karadzic soll auch die monatelange mörderische Belagerung der einstigen Olympiastadt Sarajevo angeordnet haben. Er soll die Ermordung von Kindern, Frauen und Männern in Sarajevo durch Heckenschützen von den umliegenden Bergen aus gebilligt haben.
Bilder und Videos von Opfern serbischer Gräueltaten? Alles manipuliert, alles gelogen durch gekaufte Journalisten, sagt Karadzic. Zu Skeletten abgemagerte gefangene Bosnier? Das seien Menschen gewesen, die "halt von Stacheldraht umgeben, ansonsten aber frei waren". Und überhaupt: "Meine Version ist viel glaubwürdiger als die der Staatsanwaltschaft!" Vollkommen sicher erscheint am Ende nur dies: Egal, was Karadzic sagt, er bereut nichts.