Brüssel. Ob im Europaparlament, dem Pariser Élysée-Palast oder dem Irish-Pub Kitty O’Shea’s im Herzen des Brüsseler Europaviertels: Das Ja der Iren zum EU-Reformvertrag versetzte Europa nicht in Champagnerlaune.
Zufrieden äußerten sich Europas Macher am Tag nach dem Referendum auf der grünen Insel. Der Ausgang der Abstimmung in Irland - mehr als doppelt so viel Ja- wie Nein-Stimmen - war mit Erleichterung aufgenommen worden.
Kommissionschef Jose Manuel Barroso sprach von "einem großen Tag für Europa". Jetzt kündigten die Verantwortlichen an, Tschechiens selbst ernannten EU-Dissidenten Vaclav Klaus ins Gebet zu nehmen.
Denn auch nach der Volksabstimmung in Irland ist das Ziel noch nicht erreicht. Damit der neue Grundlagenvertrag in Kraft treten kann, muss er von allen 27 EU-Staaten ratifiziert sein. Polens Präsident Lech Kaczynski hat bereits ankündigen lassen, nach dem irischen Ja zu unterschreiben. Klaus jedoch machte am Samstag umgehend klar, dass er über seine Unterschrift derzeit noch nicht einmal nachdenke.
Erst Mitte September betonte der 68-jährige konservative Politiker bei einem Vortrag zur EU: "Eine gemeinsame Idee hat Europa nicht, es kann sie nicht haben und sie ist für Europa auch nicht notwendig." Er will ein weiteres Urteil des Verfassungsgerichts abwarten, was Monate dauern kann.
Die Zeit drängt: Der wiedergewählte Kommissionschef Jose Manuel Barroso muss seine Mannschaft für die kommenden fünf Jahre zusammenstellen. Die Amtszeit der bisherigen Kommissare endet am 31.Oktober.
Außerdem wollen die Regierungen die Spitzenposten besetzen, die mit dem Lissabon-Vertrag geschaffen werden: Das ist der Präsident des Europäischen Rates der Staats- und Regierungschefs und der neue EU-Außenminister, der zwar immer noch "Hoher Repräsentant" heißen, aber mit einer größeren Machtfülle ausgestattet sein wird.
All das hängt davon ab, dass man weiß, wann der Lissabon-Vertrag in Kraft tritt - und ob überhaupt. Wenn nämlich der Lissabon-Gegner Vaclav Klaus die Sache bis ins kommende Frühjahr verzögert, könnte es vorher Neuwahlen und einen Machtwechsel in Großbritannien geben. Für diesen Fall haben die Konservativen ein Lissabon-Referendum versprochen - die bereits abgeschlossene Ratifizierung würde womöglich rückgängig gemacht, der Vertrag wäre dann erledigt.
Deswegen wollen die EU-Führungskräfte Klaus in den nächsten Tagen massiv unter Druck setzen. Nachdem ein erster Versuch der Kontaktaufnahme durch den derzeitigen EU-Vorsitzenden, Schwedens Ministerpräsidenten Frederik Reinfeldt, am Samstag ergebnislos geblieben war, werden EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek und Reinfeldts Europaministerin Cecilia Malmström bald nach Prag reisen, um den widerspenstigen Präsidenten zum Einlenken zu bewegen. Zudem wollen Reinfeldt und Barroso am Mittwoch in Brüssel mit dem tschechischen Ministerpräsidenten Jan Fischer die Lage beraten.
Die Grünen im Europaparlament forderten Klaus auf, "seine bizarre Obstruktionspolitik aufzugeben". Notfalls müsse die nächste Kommission ohne einen tschechischen Vertreter gebildet werden.
Klaus selbst erklärte, seine Unterschrift stehe derzeit nicht an. Erst müsse das Verfassungsgericht urteilen.