Regierung behinderte BND-Ausschuss

Die Verfassungsrichter stärken die Kontrollrechte der Opposition. Beweismittel dürfen nicht ohne weiteres gesperrt werden.

Karlsruhe. Nach dem Urteil zum EU-Vertrag von Lissabon hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Beschluss zum BND-Untersuchungsausschuss ein weiteres Mal die Rechte des Parlaments aufgewertet. Diesmal lässt sich der Sieger noch eindeutiger eingrenzen: Gewonnen hat die Opposition.

Denn der Untersuchungsausschuss, dessen Kontrollrechte das Karlsruher Gericht nun gestärkt hat, ist seit jeher die Waffe der Opposition. Dass er gern als politisches Kampfinstrument eingesetzt wird, lässt manchmal vergessen, dass das Untersuchungsrecht des Artikels 44 Grundgesetz - wie die Karlsruher Richter formulieren - "zu den ältesten und wichtigsten Rechten des Parlaments" gehört.

Die Fragen, die der Ausschuss in den vergangenen drei Jahren zu klären hatte, galten letztlich der rechtsstaatlichen Redlichkeit der deutschen Regierung in Zeiten eines - mitunter menschenrechtswidrig geführten - "Kriegs" gegen den Terror. Trug Deutschland womöglich eine Verantwortung dafür, dass der in Bremen geborene Türke Murat Kurnaz erst 2006 aus Guantanamo freikam - jenem berüchtigten US-Gefangenenlager, dem Rot-Grün seinerzeit kritisch gegenüberstand? Und vielleicht noch heikler, weil er einen deutschen Pass hat: Was war mit Khaled El Masri? Hatten deutsche Sicherheitsbehörden mit dessen Entführung nach Afghanistan zu tun?

Dass die Opposition bei der Klärung solcher Fragen eine entscheidende Rolle spielt, ist selten augenfälliger als in Zeiten der Großen Koalition. Zwar darf diese mit ihrer Zwei-Drittel-Mehrheit sogar das Grundgesetz ändern. Einen Untersuchungsausschuss kann sie jedoch nicht verhindern. Für seine Einsetzung reicht bereits ein Viertel der Bundestagsmitglieder, und auch im Ausschuss selbst stärkt das Viertelquorum der Opposition den Rücken. Es reicht beispielsweise für Beweisanträge.

Zumindest theoretisch. Praktisch beklagt die Opposition, dass die Bundesregierung die Aufklärungsarbeit behindert habe. Minister und Beamte legten beschränkte Aussagegenehmigungen auf den Tisch, Akten wurden geschwärzt oder ganz gesperrt, und alles wurde mit einem großen Zauberwort gerechtfertigt: dem "Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung".

"Das hat das ganze Verfahren durchzogen", kritisiert der Rechtspolitiker Wolfgang Nekovic (Linke). Auf seine Frage, ob er ein vertrauliches Gespräch mit dem Ex-US-Botschafter Daniel Coats auf Englisch geführt habe, habe der früheren Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) geschwiegen, erinnert sich Nekovic. Das falle in den "Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung".

Zwar hat das Verfassungsgericht selbst diesen Begriff schon im Urteil zum Flick-Untersuchungsausschuss von 1984 verwendet. Als allumfassender "Sesam-schließe-dich" war er aber nicht gemeint, stellt der Zweite Senat nun klar. Die regierungsinterne Willensbildung ist (soweit es um bereits abgeschlossene Vorgänge geht) keineswegs tabu, sondern gehört im Gegenteil gerade zum originären Gegenstand parlamentarischer Kontrolle, heißt es in dem Beschluss. Die Regierung müsse "nachvollziehbar" darlegen, warum ein Beweismittel gesperrt sein soll.

Dass dies weit mehr ist als ein "formaler Mangel" - wie der Ausschussvorsitzende Siegfried Kauder (CDU) abwiegelte -, zeigt ein Blick in die 74 Seiten starke Entscheidung. Informationen über Kontakte zu ausländischen Geheimdiensten sind dem Ausschuss nicht generell verschlossen, nicht einmal die "Präsidentenrunde" ist völlig tabu - jenes hoch geheime Gremium aus den Spitzen der Nachrichtendienste, des Bundeskriminalamts und den für die Sicherheit zuständigen Staatssekretären. Nebenbei belehrt Karlsruhe die Regierung, dass sie kein Monopol auf den Schutz des "Staatswohls" hat. Dafür ist auch der gewählte Bundestag zuständig.

Eine echte Stärkung der Opposition also.