Röttgen und der Atomvertrag

Kernkraft: Die Rolle des Umweltministers bei den Verhandlungen ist unklar.

Berlin. Norbert Röttgen kommt zeitig und wiederholt erst einmal gebetsmühlenartig, dass an der Sicherheit nicht gespart werde. Die Atomkraft sei als Brücke ins Ökoenergie-Zeitalter notwendig, "so kurz wie möglich, aber so lang wie nötig". Dann schließen sich um kurz nach halb acht Uhr morgens die Türen des Raums im Paul-Löbe-Haus des Bundestags.

Der Umweltausschuss will in einer Sondersitzung Details wissen zum "Geheim-Vertrag", dem zufolge die Kosten für Sicherheitsnachrüstungen pro AKW auf 500 Millionen Euro gedeckelt werden. Was darüber liegt, wird von den Zahlungen für den Öko-Energiefonds abgezogen.

Nach gut einer halben Stunde dringen erstaunliche Neuigkeiten nach draußen. Röttgen als zuständiger Minister war gar nicht an dem Atom-Vertrag beteiligt. Auf Nachfragen kann er nicht die Unterzeichner nennen, nur ein Staatssekretär des Finanzministeriums fällt ihm ein.

Laut Regierung seien Koalitionsfraktionen und zuständige Minister jederzeit über die Verhandlungen im Bilde gewesen. In Röttgens Ministerium heißt es, dass in dem Vertrag nur die Abschöpfung der Gewinne geregelt wurde, dies sei Sache des Finanzministeriums. Es gebe keine Distanzierung Röttgens vom Vertrag.

Die SPD spricht hingegen von einer Demontage Röttgens. Kanzlerin Angela Merkel habe Röttgen wie einen Schuljungen vor der Tür stehen lassen, sagt Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. "Es ist schlicht unvorstellbar, dass der für Reaktorsicherheit zuständige Minister nicht an den Verhandlungen der Bundesregierung beteiligt wird."

Festzuhalten ist: Röttgens Ministerium hatte für zwölf Jahre längere Laufzeiten Nachrüstkosten von 20 Milliarden Euro berechnet, davon ist nun keine Rede mehr. Immerhin würde dies laut Vertrag mehr als zehn Milliarden Euro weniger für den Ökoenergie-Fonds bedeuten. Seit der Gipfelnacht im Kanzleramt muss Röttgen ein sattes Laufzeitplus von durchschnittlich zwölf Jahren als sinnvoll verkaufen. Zuvor wollte er nur maximal acht Jahre mehr.

Beistand bekam Röttgen gestern von überraschender Seite. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sagte, der Versuch einer Lösung ohne Zustimmung des Bundesrates berge ein "beachtliches verfassungsrechtliches Risiko".

Es wäre besser, das Energiekonzept mit breiter Legitimation zu versehen. Der frühere Verfassungsgerichts-Präsident Hans-Jürgen Papier bekräftigt, der Bundesrat müsse zustimmen. Dort ist Schwarz-Gelb ohne Mehrheit. Sollte Karlsruhe den wackligen Atomkompromiss kippen, stände Röttgen vor einem Scherbenhaufen.