Rückkehr der Landesfürsten
Die Franken gegen die Altbayern – in München tobt ein Machtkampf der Regionen.
München. Joachim Herrmann versuchte, sein größtes Problem beiseite zu wischen. "Ich bin in München geboren und römisch-katholisch", sagte der Bewerber um das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten auf die Frage, ob er als Franke nach dem protestantischen Franken Günther Beckstein denn eine Chance hat.
Dass Herrmann mit seiner stattlichen Figur und dem gewellten Haar eine barocke Erscheinung ist, passt zu dem, was gerade in Bayern passiert: Es ist die Renaissance der Landesfürsten.
In den Regionen formieren sich Truppen, bilden Koalitionen und kämpfen um die Herrschaft über die einem Schloss nicht unähnliche Staatskanzlei. Für Eltern von Schulkindern sollte das CSU-Chaos ein geeigneter Anlass sein, historische Zusammenhänge deutlich zu machen.
Denn die CSU hat ihre Partei in zehn Bezirke aufgeteilt, deren Zuschnitt sich teils noch mit den lange untergegangenen Fürstentümern deckt. Jeder Bezirk hat einen Vorsitzenden. Und wenn dieser auch demokratisch gewählt ist, so mutet das Gebaren manches Bezirkschefs arg monarchisch an.
Der Franke Herrmann, der Oberbayer Horst Seehofer, der im unterfränkischen Aschaffenburg geborene, aber in Oberbayern politisch beheimatete Thomas Goppel befinden sich inmitten eines "Stammeskriegs". Zunächst war auch der Schwabe Georg Schmid mit dabei gewesen, doch er gab am Freitag auf.
Allen voran im parteiinternen Machtgefüge steht dabei der CSU-Bezirk Oberbayern. Dies ist der größte Bezirk, zu dem auch die Landeshauptstadt München gehört. Zusammen mit Niederbayern und Oberpfälzern nennen sie sich dort Altbayern.
Diese drei Bezirke, die in der CSU-Landtagsfraktion zusammen eine Mehrheit haben, senkten gemeinsam den Daumen über Beckstein. Doch die Altbayern haben auch ein Problem. Es ist ihre Mischung aus Stolz und Überheblichkeit, die ihnen viel Neid beschert.
Vor Beckstein regierten mit den Oberbayern Edmund Stoiber, Franz Josef Strauß und Max Streibl sowie dem Oberpfälzer Alfons Goppel 45 Jahre die Altbayern den Freistaat. Bis heute gibt es deshalb immer wieder - meist spaßig gemeinte - Rufe nach einer Unabhängigkeit Frankens.
Auf Internetseiten wie www.bayern-wolln-mer.net lassen die Separatisten ihrer Unzufriedenheit freien Lauf. Die Menschen aus den Regionen um Nürnberg und Würzburg haben aber auch ein "internes" Problem: Franken ist uneinheitlich. Mittelfranken ist protestantisch geprägt, Mainfranken katholisch - ein gemeinsames Sprachrohr finden die Unterbezirke selten.
Dies zeigte auch die Landtagsfraktion am Mittwoch. Dort schafften es die Franken zwar, Seehofer vorerst als Ministerpräsidenten zu verhindern - ihren eigenen Kandidaten, Landesinnenminister Herrmann, konnten sie aber auch nicht durchsetzen.
Der Passauer Soziologe Alf Mintzel, Autor eines Standardwerks zur CSU, sieht in der Größe Bayerns den Grund, weshalb dort noch heute die einzelnen Regionen eine Rolle spielen. "Man vergisst immer, wie groß Bayern ist. Das sind 20 Prozent der Fläche der Bundesrepublik", sagt Mintzel. Da müsse der Ministerpräsident schon ein "kleiner König" sein, um die Gebiete zusammen zu halten.
Solch ein kleiner König sei Strauß gewesen. Der Ministerpräsident, dessen Todestag sich am Freitag zum 20.Mal jährte, sei die Integrationsfigur schlechthin gewesen, sagt Mintzel. Seine beste Zeit habe Strauß gehabt, als er zugleich CSU-Chef und Ministerpräsident war. Den oberbayerischen Habitus verkörpere derzeit nur Seehofer - wolle die CSU wieder an ihre erfolgreiche Geschichte anknüpfen, führe an ihm kein Weg vorbei.