Sauerland-Gruppe: Mutmaßliche Terroristen in Düsseldorf vor Gericht
Im Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts Düsseldorf begann der Prozess gegen die Sauerland-Terroristen mit taktischen Winkelzügen der Verteidigung.
Düsseldorf. "Wenn jeder von uns 50 Leute tötet und noch ein paar verletzt, dann sind das 150 Tote!" So soll der mutmaßliche Islam-Terrorist Fritz Gelowicz seine Mittäter Adem Yilmaz und Daniel Schneider angefeuert haben, kurz bevor die Fahnder im sauerländischen Oberschledorn zuschlugen und das Trio festsetzten. Seit Mittwoch sitzen die Drei und ihr mutmaßlicher Mittäter Atilla Selek im Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf der Anklagebank - jeder Einzelne von ihnen eskortiert von drei Vollzugsbeamten.
Gleich zu Beginn des Prozesses gibt es den ersten Eklat: Adem Yilmaz und Daniel Schneider sind mit muslimischen Kopfbedeckungen erschienen. Doch während Schneider die gehäkelte weiße Mütze beim Eintreten der Richter ordnungsgemäß abnimmt, lässt sich Adem Yilmaz dazu vom Gericht auffordern, zieht sie dann erst mit verächtlichem Grinsen ab.
Während wenig später alle übrigen im Saal sich bei der Vereidigung der Dolmetscher von ihren Sitzen erheben, bleibt Yilmaz betont lässig sitzen. "Ich steh’ nur auf für Allah!", brüllt er in den Gerichtssaal.
Der Senat unter Vorsitz von Richter Ottmar Breidling wertet dies als Ungebührlichkeit, und die Bundesanwaltschaft beantragt eine Ordnungshaft von drei Tagen. Als Yilmaz auch nach der Mittagspause beim Eintritt der Richter demonstrativ-provokant sitzen bleibt, beantragt die Bundesanwaltschaft erneut Ordnungshaft.
Bei einer zu erwartenden Strafe von bis zu 15 Jahren Freiheitsentzug mögen sechs Tage Ordnungshaft als nicht besonders viel erscheinen. Doch diese Ordnungsstrafen können sich summieren - und zwar unbegrenzt. Und sie müssen nach dem Gesetz auf jeden Fall in voller Länge abgesessen werden.
Als Yilmaz nach einer Prozess-Unterbrechung bereits zum dritten Mal nicht aufsteht, machen Prozessbeobachter eine schnelle Rechnung auf: 40 Prozesstage sind anberaumt - wenn Yilmaz an jedem dieser Tage dreimal wegen demonstrativen Sitzenbleibens jeweils drei Tage Ordnungshaft kassiert, wären dies 360 Tage Haft - zusätzlich zur möglichen Höchststrafe von 15 Jahren.
So beeilte sich Yilmaz’ Verteidigerin denn auch, dem Gericht zu versichern, ihr Mandant wolle durch sein Verhalten keineswegs eine Missachtung ausdrücken. Sein Verhalten sei religiös begründet: Er stehe vor niemandem auf außer vor Gott. Das Gericht müsse dies als Ausübung der Religionsfreiheit anerkennen.
Damit ist Richter Breidling nun in der Zwickmühle, entscheiden zu müssen, was er höher bewertet: die Freiheit der Religionsausübung oder die Würde des Gerichts. Es sei denn, der profunde Kenner des Strafprozessrechtes findet einen Weg, beides unter einen Hut zu bringen. Am zweiten Verhandlungstag (Donnerstag) will er seine Entscheidung über die Ordnungshaft-Anträge gegen Yilmaz verkünden.
Andere Anträge der Verteidigung, die - wie in solchen Verfahren üblich - den Prozess platzen lassen oder zumindest künstlich in die Länge ziehen sollen, schmettert Breidling teils süffisant wegen erwiesener Formfehler ab oder bringt sie durch pointierte Nachfragen zu Fall.
So verweist Breidling einen Verteidiger, der partout einen Antrag von 80 DIN-A-4-Seiten nebst Anhängen verlesen will, auf den Schriftweg. "Sie sollten seit dem PKK-Verfahren wissen, dass der Gesetzgeber genau wegen solcher Anträge den Schriftweg vorsieht", belehrt Breidling den Advokaten. Im PKK-Verfahren hatte ein Anwalt über mehrere Verhandlungstage einen Beweisantrag verlesen.
Der Prozess wird am Donnerstag mit der Vernehmung von 21 Zeugen aus dem familiären Umfeld der mutmaßlichen Täter fortgesetzt.