Sri Lanka vor humanitärer Katastrophe
Beim Kampf zwischen Armee und den Tamilen-Rebellen gerät die Bevölkerung zwischen die Fronten.
Colombo. Die Tamilen-Rebellen im Nordosten Sri Lankas wehren sich erbittert gegen ihre drohende Niederlage. Die Armee rückt immer weiter gegen die einst als beinahe unbesiegbar geltenden Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) vor.
Zwischen die Fronten der erbitterten Feinde sind zehntausende Zivilisten geraten, die im Kampfgebiet festsitzen. Eine humanitäre Katastrophe, so scheint es, droht nicht mehr nur - sie ist bereits eingetreten. Die Verantwortung für das Leid der Zivilisten im Kampfgebiet, darunter zahlreiche Kinder, schieben sich Rebellen und Armee gegenseitig zu.
Pro-tamilische Gruppen verbreiteten am Dienstag verstörende Videos aus dem letzten Küstenstreifen, der noch von der LTTE kontrolliert wird. Die Bilder zeigten verletzte Frauen, die dicht gedrängt nebeneinander auf dem Boden liegen. Ein Kind mit einem Verband auf dem Kopf blickt mit schmerzverzerrtem Gesicht in die Kamera.
Ein Mann weint öffentlich, ein Helfer versucht, einen Jugendlichen wiederzubeleben. Der Arzt Thiyagaraja Sathiyamoorthy berichtete per Telefon aus dem Kampfgebiet, einer seiner Kollegen sei bei den Gefechten getötet worden. Er selbst habe das improvisierte Feldhospital verlassen müssen, als die Armee in die Gegend einrückte.
In einer "dringenden Pressemitteilung" des LTTE-"Friedenssekretariats" werden Armee und Regierung Kriegsverbrechen vorgeworfen. Alleine am Montag seien beim Beschuss durch das Militär mehr als 1000 Zivilisten getötet worden, berichtete die LTTE. Soldaten zwängen tamilische Zivilisten, Landminen zu räumen. Wer sich weigere, werde erschossen. Die Armee missbrauche Unbeteiligte als menschliche Schutzschilde. Das freilich ist genau der Vorwurf, den das Militär seinerseits der LTTE macht.
Die Armee kritisiert, die Tamilen-Rebellen würden auf Zivilisten schießen, die das Kampfgebiet verlassen wollen. Am Montag hätten sich drei Selbstmordattentäter der Rebellen inmitten von Flüchtlingen in die Luft gesprengt und 17 Zivilisten mit in den Tod gerissen. Die Aussagen der Konfliktparteien sind kaum zu überprüfen, weil das Militär Journalisten und anderen unabhängigen Beobachtern den Zugang zum Kampfgebiet seit Monaten verweigert.
Zur Rettung der im Kampfgebiet eingeschlossenen Zivilisten fordert die Frankfurter Hilfsorganisation medico international einen sofortigen Waffenstillstand. "Alles andere ist die Hinnahme eines absehbaren Massakers", sagt medico-Mitarbeiter Thomas Seibert. Doch auf einen Waffenstillstand wird sich die Regierung kurz vor dem von ihr erhofften Sieg über die LTTE kaum einlassen. Am Dienstag verstrich ein "letztes Ultimatum" an die LTTE zur Kapitulation - ohne Reaktion der Rebellen.