Serbien strebt in die Europäische Union
Die Schatten des Balkankrieges erschweren den Weg des Landes nach Brüssel.
Belgrad. Eigentlich war die Festnahme des berüchtigten Generals Ratko Mladic und seine Auslieferung an das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag die Schlüsselbedingung für jede weitere Annäherung Serbiens an die EU.
Jetzt stürmt das Balkanland auch ohne Mladic mit großen Schritten in Richtung Brüssel. Im Dezember gewährte die Union großzügige Handelserleichterungen und strich nach 18 Jahren die Visapflicht für serbische Bürger. Mit seinem offiziellen Antrag auf EU-Mitgliedschaft legte Belgrad am Dienstag noch einen Gang zu.
Doch vom früheren Militärchef der bosnischen Serben im Bürgerkrieg (1992-1995), dem das Massaker von Srebrenica mit 8.000 getöteten muslimischen Jungen und Männern angelastet wird, ist nicht mehr die Rede. Für den Innenminister Ivica Dacic ist dessen Verhaftung eine "relative Kategorie".
Der Chef des Mladic-Verfolgungsteams, der serbische Minister Rasim Ljajic, hat wegen Erfolglosigkeit seinen Rücktritt angekündigt. Bei der jüngsten Umfrage sprachen sich fast zwei Drittel gegen die Verhaftung des Kriegsverbrechers aus, der in weiten Kreisen immer noch als Nationalheld gefeiert wird.
Mladic werde weiter von alten Seilschaften und von den Geheimdiensten gedeckt, die mit dem als "Schlächter vom Balkan" bekannten Kommandeur "noch gemeinsame Leichen im Keller" hätten, schreiben Zeitungen.
Während Länder wie Italien, Griechenland und Spanien Belgrad zu seiner EU-Bewerbung ermuntert hatten, waren Staaten wie Deutschland oder Großbritannien auf Distanz gegangen. Dieser Schritt komme viel zu früh, Serbien müsse nicht nur im Fall Mladic erst einmal die Voraussetzungen erfüllen. Vor allem die EU-Nettozahler Deutschland und Österreich hätten wegen der mit Abstand meisten Gastarbeiter aus Serbien und dem größten Handelsvolumen die schwersten Lasten zu tragen.
Serbien hat noch viele Demokratie-Defizite aufzuarbeiten. Die Sozialisten des früheren Kriegsherren und langjährigen Autokraten Slobodan Milosevic sind wieder in der Regierung salonfähig geworden. Die Parteien haben den Staat und die Staatsbetriebe fest im Griff, wodurch selbst nach Darstellung von Spitzenpolitikern die Korruption allgegenwärtig ist. Der frühere Regierungschef Zoran Zivkovic hat erst vergangene Woche kritisiert, die Regierung habe das Land an einige wenige Superreiche verkauft.