Sicherungsverwahrung: Betreuen statt Inhaftieren
Die Koalition findet Kompromiss zum Umgang mit entlassenen Schwerverbrechern.
Berlin. Die Sommerpause ist für die Bundesregierung endgültig vorbei: Erst am Mittwoch beschloss das Kabinett einen Entwurf für ein lange überfälliges Gesetz zum Arbeitnehmer-Datenschutz. Am Donnerstag einigten sich Union und FDP bei dem äußerst umstrittenen Thema Sicherungsverwahrung für gefährliche Straftäter. Dabei hatten Politiker aus beiden Lagern noch in der Sommerpause heftig über das Thema gestritten. Nun präsentierten Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ihren Kompromiss.
Zuletzt schlugen die emotionalen Wellen hoch: Einige Täter kommen derzeit auf freien Fuß, obwohl sie noch als gefährlich gelten. Bürger gingen auf die Barrikaden. Grund für die Freilassungen ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Er hatte im Dezember kritisiert, dass sich die Sicherungsverwahrung kaum von der Strafhaft unterscheidet und die Maßnahme für einige Täter rückwirkend verlängert wurde - obwohl sie zum Zeitpunkt ihrer Verurteilung nur noch mit bis zu zehn Jahren Sicherungsverwahrung rechnen konnten. Das verstoße gegen das Rückwirkungsverbot einer Strafe.
Nun sollen insbesondere diese Menschen, die von dem EGMR-Urteil betroffen sind, in neu zu schaffenden Einrichtungen auf ihre Freilassung vorbereitet werden. Voraussetzung ist, dass externe Gutachter ihnen eine psychische Störung nachweisen können. Es werden also längst nicht alle Täter, um die es geht - es sind mindestens 80 - von der geplanten Regelung erfasst. Mit dem Vorhaben kam die Justizministerin aber Forderungen aus den Ländern und aus der Union entgegen. Der Bund schafft nun die entsprechende Bundesregelung - umgesetzt werden muss diese aber von den Bundesländern selbst.
Damit hat die schwarz-gelbe Koalition eingesehen, dass die Freilassung aller betroffenen Straftäter nicht zu verhindern ist. Eingebrockt wurde diese "Suppe", die es nun "auszulöffeln" gilt, von den früheren Bundesregierungen. Sie haben die Sicherungsverwahrung immer wieder verschärft und dabei das richtige Maß aus den Augen verloren.
Vor allem die 2004 noch unter Rot-Grün eingeführte nachträgliche Sicherungsverwahrung, die am Ende einer Haft angeordnet werden kann, steht nach Einschätzung von Juristen auf wackeligen Füßen. Leutheusser-Schnarrenberger will sie deshalb abschaffen.