Sorge um Ägypten dominiert Merkels Israel-Besuch
Jerusalem (dpa) - Deutsch-israelische Regierungsgespräche in Jerusalem: Eigentlich sollten Zukunftsthemen und der Jugendaustausch im Zentrum stehen. Doch die Entwicklung in Ägypten überschattet das Treffen.
Beide Länder kooperieren künftig bei Zukunftsthemen wie Forschung, Umwelt, Klimaschutz, Energie und Entwicklungshilfe noch stärker als bisher. Das vereinbarten die Kabinette unter Führung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu am Montag in Jerusalem bei den dritten deutsch-israelischen Regierungskonsultationen.
Im Zentrum des Treffens stand neben den Krisen in den Nachbarstaaten Israels auch der seit September auf Eis liegende Friedensprozess mit den Palästinensern. In deutschen Regierungskreisen hieß es vor dem Treffen, Merkel wolle bei Netanjahu auf Zugeständnisse in den seit Monaten stagnierenden Gesprächen dringen. Die Kanzlerin sehe ein Zeitfenster von etwa sechs Monaten. Wenn im Herbst der Präsidentschaftswahlkampf in den USA beginne, sei nicht mehr zu erwarten, dass sich die Amerikaner intensiv in den Prozess einschalten würden.
Ziel der Kanzlerin sei weiterhin eine Zwei-Staaten-Regelung, denkbar sei eine schrittweise Lösung. Konkrete Vorschläge könnte es demnach beim Treffen des Nahost-Quartetts (UN, EU, USA, Russland) am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz am Wochenende geben.
Angesichts der Unruhen in Ägypten hatte Netanjahu am Sonntag bei einer Sitzung seines Kabinetts die Bedeutung der Zusammenarbeit mit Berlin hervorgehoben: „Wir sehen Deutschland - eines der wichtigsten Länder der Welt und eines der wichtigsten für Israel - als einen Hauptanker unserer Beziehungen mit Europa.“
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) beriet schon am Sonntagabend in Tel Aviv mit seinem Amtskollegen Avigdor Lieberman über die Lage im Nahen Osten und in Ägypten. Merkel und ihr Außenminister hatten sich wiederholt hinter friedliche Demonstrationen gestellt und den ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak aufgefordert, einen Prozess hin zu freien, fairen und demokratischen Wahlen einzuleiten.
Zahlreiche Minister begleiteten die Kanzlerin nach Jerusalem. Erstmals nahmen Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Vertreter des Landwirtschaftsministeriums an dem Treffen teil. De Maizière unterzeichnete mit seinem israelischen Kollegen nach den Waldbränden in der Nähe von Haifa mit mehr als 40 Toten im Dezember eine Absichtserklärung zur Zusammenarbeit bei der Katastrophenprävention und zum Bevölkerungsschutz.
Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) unterschrieb eine Vereinbarung zur Entwicklungszusammenarbeit in den palästinensischen Gebieten und für eine trilaterale Kooperation in der Gegend des Viktoriasees in Kenia. Zudem sei die Genehmigung für ein Kläranlagenprojekt im Gaza-Streifen durch Israel erreicht worden, in das Deutschland rund 40 Millionen Euro investiert hat.
Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) will mit einer Dialogplattform zur Elektromobilität die Zusammenarbeit in diesem Bereich stärken. Mit einem deutsch-israelischen Forum im Juni möchte Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) die Forschungskooperation ausbauen. 70 deutsche Universitäten arbeiten mit 25 Hochschulen in Israel in insgesamt 106 Projekten zusammen.
Laut „Spiegel“ stand auf Wunsch Netanjahus auch die schleppende Entschädigung zehntausender ehemaliger jüdischer Ghetto-Arbeiter durch Deutschland auf der Tagesordnung. Hintergrund: Wer in den von den Nationalsozialisten errichteten Ghettos einer halbwegs geregelten Arbeit nachging, erhält im Unterschied zu den bereits entschädigten Zwangsarbeitern oftmals bis heute keine Rente. Auf deutscher Seite wurde jedoch signalisiert, die Probleme seien inzwischen weitgehend ausgeräumt.
Während die deutschen Minister am Montagabend nach Berlin zurückreisen wollten, setzt Merkel am Dienstag ihre Gespräche in Israel fort. In Jerusalem trifft sie Staatspräsident Schimon Peres, Oppositionsführerin Zipi Livni, Wirtschaftsvertreter beider Länder und Freiwillige der Aktion Sühnezeichen.