SPD ringt mit sich: Jetzt doch noch einmal große Koalition?
Nach dem Treffen zwischen Bundespräsident Steinmeier und Parteichef Schulz werden die Stimmen für eine Neuauflage des Bündnisses lauter.
Berlin/München. Zaudern, taktieren, lavieren: Nach dem Ende der Jamaika-Sondierungen zwischen Union, FDP und Grünen wagt sich die SPD nicht aus der Deckung. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach gestern mehr als eine Stunde lang mit SPD-Chef Martin Schulz. Nach dem Termin im Schloss Bellevue informierte Schulz die engere Parteiführung bei einer Sitzung in der Parteizentrale über die Unterredung. Bei den für drei Stunden angesetzten Gesprächen im Willy-Brandt-Haus, an denen auch mehrere SPD-Ministerpräsidenten teilnahmen, wurde aber nicht mit endgültigen Festlegungen gerechnet.
Bei dem Treffen war auch der frühere Parteichef und Architekt der großen Koalition von 2013, Sigmar Gabriel, dabei. Der Außenminister gilt als Freund einer erneuten Zusammenarbeit mit CDU und CSU. Denkbar sei, dass die Sozialdemokraten sich „ergebnisoffen“ zu Gesprächen mit den anderen Parteien bereit erklären, hieß es in SPD-Kreisen. Die Union verkündet, die Türen stünden offen. CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder sagte, er würde sich freuen, „wenn sich die bisherigen Partner in der Bundesregierung wieder zusammenfänden“.
Die SPD hatte unmittelbar nach ihrem Absturz bei der Bundestagswahl auf 20,5 Prozent eine große Koalition ausgeschlossen und dies Anfang der Woche bekräftigt. Seitdem ist in der Partei aber eine heftige Debatte entbrannt, die auch dem Vorsitzenden Schulz gefährlich werden könnte. Am 7. Dezember beginnt in Berlin der dreitägige Bundesparteitag der Sozialdemokraten, auf dem auch die Führungsmannschaft neu gewählt wird. Aus der Bundestagsfraktion war SPD-Chef Schulz kritisiert worden, weil er sich zu schnell auf mögliche Neuwahlen ausgerichtet habe.
Der Vize-Chef der Bundestagsfraktion, Karl Lauterbach, hält etwa Schwarz-Rot für möglich. „Wir werden, wenn überhaupt nichts anderes geht, auch noch mal über eine große Koalition nachdenken müssen“, sagte der Politiker vom linken Parteiflügel.
In der SPD wird neben einer erneuten Groko auch die Möglichkeit diskutiert, eine ausschließlich mit Unions-Ministern besetzte und von Kanzlerin Angela Merkel angeführte Minderheitsregierung zu tolerieren. Hamburgs Regierungschef, Parteivize und Schulz-Rivale Olaf Scholz sagte dazu aber: „Ich bin sehr sehr skeptisch, was eine Minderheitsregierung betrifft.“ Europa brauche eine stabile Regierung in Deutschland.
Auch bei der CSU blieb gestern der erwartete personelle Befreiungsschlag aus: Der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (68) hat seine persönliche Zukunft in einer CSU-Vorstandssitzung zunächst offengelassen. Er vermied jegliche Aussage zu möglichen neuen Kandidaturen als Parteichef oder Ministerpräsident, wie aus Teilnehmerkreisen verlautete. Seehofer wolle nun bis Anfang Dezember Gespräche über eine „Zukunftslösung“ für die Partei führen, hieß es. CSU-intern wird erwartet, dass Seehofer auf dem Parteitag im Dezember als Parteivorsitzender antreten, das Ministerpräsidentenamt aber abgeben könnte. Aussichtsreichster Nachfolgekandidat in Bayern ist Seehofers Dauerrivale, Finanzminister Markus Söder (50). Red
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