Staatsbankrott: Athen stürzt Berlin in die Krise

Die Hilfe aus Deutschland wird teurer als erwartet. Und der Zeitdruck nimmt zu.

Berlin. Es ist ein politischer Kampf auf vielen Ebenen, der sich an diesem Nachmittag in Berlin abspielt. Und einer der Hauptakteure ist Jürgen Trittin, der Fraktionsvorsitzende der Grünen. Der hatte über drei Stunden lang mit den Vertretern der anderen Fraktionen auf Einladung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zusammen gesessen.

Ebenfalls am Gesprächstisch: Die Chefs des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank, Dominique Strauss-Kahn und Jean-Claude Trichet.

Der Grüne schockte die wartenden Journalisten anschließend mit einer Neuigkeit, die einen schlimmen Verdacht bestätigte: Laut IWF-Analysen liegt der Finanzbedarf Griechenlands über drei Jahre verteilt nicht wie bisher gedacht bei 45 Milliarden. Er habe sich durch das lange Zögern der EU bei ihren Hilfszusagen fast verdreifacht: Minimum 120 Milliarden. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sprach von einem 135 Milliarden-Bedarf. Mehrbelastung für Deutschland, wenn es der Hilfsaktion zustimmt: 25 Milliarden oder noch mehr.

Die Belastungen seien durch das EU-Zögern in die Höhe getrieben worden, gab Trittin die Experteneinschätzung in den Gesprächen wieder. Der parlamentarische SPD-Geschäftsführer Thomas Oppermann kritisierte, schuld sei die Bundesregierung, die die Lage "wochenlang systematisch beschönigt" habe.

Jetzt nimmt auch in Berlin der Hellas-Sanierungszug bedingt Fahrt auf. Wenn Währungsfonds, Weltbank und Euro-Währungsraummitglieder nach den Verhandlungen "freie Fahrt" für den Sanierungsplan geben, wird sich das Bundeskabinett am kommenden Montag mit einem Gesetzentwurf aus dem Finanzministerium beschäftigen.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte die Minister während der Kabinettssitzung am Mittwoch darum gebeten, sich zu Wochenbeginn nichts vorzunehmen. Am selben Tag könnte der Haushaltsausschuss des Bundestages über das Ansinnen beraten. Die Bundestagsfraktionen kommen ohnehin am Dienstag zu regulären Sitzungen zusammen.

Am Mittwoch könnte die erste Lesung sein; am Donnerstag hätten die Ausschüsse das Wort. Schlusslesungen am Freitag. Danach müsste ein Bote des Bundestages zum einen Kilometer entfernten Bundesrat fahren, um dort den Gesetzentwurf dem amtierenden Präsidenten zu überreichen, auf dass die Länderkammern dem Gesetz ihren abschließenden Segen erteilt. Dann wird das Ganze am nächsten Tag im Bundesgesetzblatt veröffentlicht - gerade rechtzeitig, damit das Hilfspaket Athen noch vor dem 19. Mai erreicht.

An diesem Tag muss das Land 8,5 Milliarden an Schulden begleichen. Nicht einberechnet sind in diesen Fahrplan die Risiken: Staatsrechtler wollen im Eilverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht die Auszahlung des deutschen Beitrages verhindern.

Aber auch die parlamentarische Zustimmung der Opposition steht auf der Kippe: Sie haben die Devisen- und Finanzspekulanten im Visier. Oppermann: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Bundestag 25 Milliarden für drei Jahre bewilligt, ohne dass gleichzeitig durchgreifende Maßnahmen gegen Spekulationen auf Devisen- und Finanzmärkten ergriffen werden."