Herr Steiner, nach Berechnungen Ihres Instituts ist der Sparbedarf des Bundes wesentlich höher als bislang vom Kanzleramt angegeben. Machen da die diskutierten Steuersenkungen überhaupt Sinn?
Steiner: Ich halte das für wenig realistisch. Bis 2013 sind nach unseren Schätzungen mindestens 75 Milliarden Euro einzusparen. Das Kanzleramt sprach bislang "nur" von 40 Milliarden Euro. Die Regierungskoalition wird keine Ausgabenkürzungen beschließen, die diese Löcher alleine stopfen. Auch eine entsprechende Erhöhung der Sozialabgaben wird nicht kommen.
Ist Besserung in Sicht, wenn die Konjunkturkrise überwunden sein sollte?
Steiner: Das denke ich nicht. Selbst wenn es wieder eine normale Wachstumsrate in der Wirtschaft geben sollte, bleibt ein Defizit. Dabei muss sich die Bundesregierung ja auch an das Maastricht-Kriterium von drei Prozent halten, was die Neuverschuldung angeht. In den nächsten Jahren wird das strukturelle Haushaltsdefizit bei 2 bis 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegen. Will der Bund bis 2016 die Schuldengrenze von 0,3 Prozent des BIP erreichen, ergibt sich ein Konsolidierungsbedarf von mindestens 50 Milliarden Euro jährlich. Eine strenge Konsolidierung ist deshalb notwendig.
Das hört sich nicht so an, als ob sich die Bürger auf Entlastungen einstellen können.
Steiner: Im Gegenteil. Wir sehen eher Steuererhöhungen. Wobei man unterscheiden muss zwischen "offenen" und den "heimlichen". Eine "offene" Erhöhung der Mehrwert- oder der Mineralölsteuer würde jeder mitbekommen. Das ist daher für die Regierung weniger attraktiv. Einkommensschwächere Haushalte würden dabei zum Beispiel mehr belastet.
Ist davon auszugehen, dass es sofort "offene" Erhöhungen geben wird?
Steiner: Nein, die werden wohl eher gegen Ende der Legislaturperiode kommen.
Gibt es also eine Steuererhöhung durch die Hintertür?
Steiner: Die "kalte Progression" ist eine heimliche Erhöhung nach nur nominellen Einkommensverbesserungen wegen der Inflation. Bürger rutschen in eine höhere Steuerklasse und zahlen mehr Steuern, obwohl sie real nicht mehr haben.
Im Wahlkampf war darüber diskutiert worden, diese "kalte Progression" zur Entlastung der Bürger abzubauen?
Steiner: Da bin ich aber eher skeptisch, ob das klappt. Das sind schließlich fehlende Einnahmen für den Staat, die an anderer Stelle wieder hereingeholt werden müssten, sprich, es muss "offene" Erhöhungen geben.
Wie stehen denn die Chancen, dass es in nächster Zeit überhaupt Steuersenkungen gibt?
Steiner: An der einen oder anderen Stelle vielleicht. Die Erbschaftssteuer wäre zum Beispiel ein solcher Punkt. Es wäre aber eher als symbolische und öffentlichkeitswirksame Geste zu sehen: Der Bürger wird entlastet, der Staat verliert trotzdem nicht so viel an Einnahmen. Die gesamte Steuerlast wird steigen.