Tourismus: Jeder zweite Deutsche kann sich Urlaub nicht mehr leisten

Boom bei Billig-Angeboten und Luxusreisen: Forscher sprechen von einer „dramatischen Spaltung der Gesellschaft“.

Berlin. Die alten Rekordwerte des Reiseweltmeisters Deutschland sind in weite Ferne gerückt: Im Durchschnitt war 2009 nur noch jeder zweite Bundesbürger fünf Tage oder länger verreist.

Das ist das Ergebnis einer Umfrage der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen, die am Mittwoch zur Eröffnung der weltgrößten Reisemesse ITB in Berlin vorgestellt wurde.

"Die Urlaubsreise ist kein Gut für alle Bürger mehr", betonte Ulrich Reinhardt, der Autor der Analyse. Der Tourismus-Experte sprach von einer "dramatischen Spaltung der Gesellschaft". So leisteten sich im vergangenen Jahr 80 Prozent der Beamten eine Reise, bei den Arbeitern waren es mit 41 Prozent nur halb so viele.

"Es hat sich eine Zwei-Klassen-Gesellschaft herausgebildet", heißt es in der Analyse, für die 4000 Bundesbürger befragt wurden. "Die einen machen sich mehr Gedanken um Reiseziele als um das Reisebudget, während die anderen ihren Urlaub oftmals auf Balkonien verbringen", sagte Reinhardt.

Auf Sonderangebote achten, günstigere Ziele aussuchen, weniger weit reisen, auf dem Campingplatz übernachten oder ganz zu Hause bleiben: Das sind nach einer Reiseanalyse der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) die Rezepte, mit denen die Deutschen in diesem Jahr sparen wollen.

Tourismusforscher Karl Born aus Wernigerode geht davon aus, dass die Reisebranche sich in den kommenden Jahren radikal umstellt. "Gefragt sind besonders billige Angebote und Luxusreisen", sagte Born. Die Industrie setze verstärkt auf Gäste, die ungeschoren durch die Rezession gekommen sind.

Nach Ansicht der Marktforscher will diese Gruppe einerseits "in fremde Kulturen eintauchen, andererseits aber auf die Sicherheit einer geführten Reise nicht verzichten". Schafe hüten in Irland, Teepflücken auf Sri Lanka oder ein Besuch im Nomadenzelt - das Bildungsbürgertum träumt nicht mehr von einsamen Stränden und Palmen.

Auch der größte deutsche Reiseveranstalter TUI spricht von einer Polarisierung. "Die Mitte wird schwächer", sagte TUI-Deutschlandchef Volker Böttcher. Marktforscher betonen, dass es eine Polarisierung auch nach Generationen gibt: Die besonders kaufkräftige Gruppe der über 50-Jährigen werde für die Reisebranche immer wichtiger.