Unbewaffnete Zivilisten sollen bei Eroberung Bengasis helfen
„Friedliche Demonstranten“ sollen Gaddafis Soldaten beim Marsch auf die Rebellenstadt begleiten.
Tripolis. Muammar al-Gaddafi ist sicher ein brutaler Despot und ein launischer Exzentriker, aber dumm ist der libysche Machthaber nicht. Jetzt, wo eine westliche Allianz mit dem Segen der Vereinten Nationen seine Offensive gegen die Rebellen behindert, zieht er noch einmal alle Register.
Kaum sind die ersten Bomben auf Libyen gefallen, behaupten die Staatsmedien, Dutzende Zivilisten seien getötet worden. Libyens Fernsehen zeigt Bilder von Begräbnissen. Prompt regt sich vor allem in arabischen Staaten Protest gegen die von Franzosen, Amerikanern und Briten angeführten Luftangriffe.
Die Rebellen sind dagegen dankbar für die Atempause, die ihnen die Luftangriffe des Westens verschaffen. Eine Oppositionszeitung meldet, französische Flugzeuge hätten südlich von Bengasi den Rückzug einer Einheit der Gaddafi-Truppen erzwungen.
Diese hätte versucht, eine Öl-Quelle unter ihre Kontrolle zu bringen. Es sei zu einem langen und schweren Gefecht mit mehreren Todesopfern gekommen. Erst die Luftangriffe hätten Gaddafis Soldaten in die Flucht geschlagen. Aus anderen Städten, in denen es noch keine Luftangriffe gab, wurden gestern aber erneut schwere Gefechte gemeldet.
Die Übergangsregierung in Bengasi versucht inzwischen, den Alltag in den von ihr kontrollierten Städten erträglich zu gestalten. Bei einer Sitzung erklärte sie, die staatliche Ölgesellschaft und die Zentralbank müssten ihren Sitz vorübergehend in Bengasi haben. Was sie mit „vorübergehend“ meint, ist klar — so lange bis die Aufständischen auch Tripolis unter Kontrolle haben.
Doch nun deutet immer mehr darauf hin, dass auch Zivilisten in Gaddafis skrupellosen Plänen eine zentrale Rolle spielen: Sie sollen als menschliche Schutzschilde nicht nur seine wichtigsten Anwesen vor Angriffen der westlichen Allianz schützen. Sogar seine Truppen sollen sie begleiten, wenn diese versuchen, Bengasi zurückzuerobern.
Die Frage ist, ob Gaddafi dabei tatsächlich auf Freiwillige setzt, wie er behauptet, oder ob seine Soldaten dafür Zivilisten als Geiseln nehmen würden. Mindestens einen solchen Fall soll es schon geben. Gaddafi sagt, er wolle „friedliche Demonstranten“ an der Seite von Soldaten in Bengasi einmarschieren lassen. Dort würde sie eine schlecht organisierte, aber hochmotivierte Rebellentruppe erwarten.