Unsere Leser erinnern sich

Düsseldorf. Der Moment, der die Welt erschüttert: Um kurz nach 9 Uhr Ortszeit rast das zweite Flugzeug in das World Trade Center in New York. Spätestens in diesem Augenblick wird allen klar, dass es sich um einen gigantischen Terroranschlag handelt.

In der ganzen Welt verfolgen die Menschen die dramatischen Ereignisse in den USA. Viele wissen noch heute, was sie gerade taten, als sie von den Anschlägen erfuhren.

Unsere Leser schildern ihren 11. September 2001, ihre Gedanken, die Fassungslosigkeit und Trauer.

Mein Mann und ich befanden uns am 11. September 2001 in Frankreich in der wunderschönen Provence. Als unser Handy klingelte, freuten wir uns über einen Anruf unseres Sohnes. Aber die Freude verschwand ganz schnell, als er uns von dem unglaublichen und tragischen Ereignis erzählte.

Wir fuhren mit unserem Auto erst einmal an den Straßenrand, um überhaupt die Tragik dieses Unglücks zu erfassen. Wir haben uns unserer Tränen nicht geschämt. Als wir abends in unserem Urlaubsort noch einen kleinen Spaziergang machten, sahen wir durch die zumeist offenen Fenster, dass überall die Fernseher liefen. Vor einem TV blieben wir seitlich stehen, um die Ereignisse etwas genauer mitzubekommen.

Allerdings blieben wir nicht lange dort stehen. Die Familie lud uns in ihr Wohnzimmer ein, um die schrecklichen Ereignisse gemeinsam am TV zu verfolgen. Wir saßen mehrere Stunden erschüttert zusammen.

Der Kontakt ist bis heute geblieben. Aus dem schrecklichen Erlebnis ist eine Freundschaft entstanden. Bei soviel Not rückt man halt ein bisschen näher zusammen.

Norbert und Ilse Füllgraf, Wuppertal

Als ich mit meinen vollgepackten Einkaufstaschen vor dem Bildschirm stand, sah ich das kreidebleiche Gesicht von Ulrich Wickert — und hinter ihm schoss gerade das zweite Flugzeug in den Turm. Mit abgehackter Stimme, sichtlich um Fassung bemüht, beschrieb er die Ereignisse. Mir schwirrte der Kopf. Ich war doch nur kurz weg! Und jetzt war die Welt aus den Angeln gehoben.

Christa Hombach, Solingen

Plötzlich rief unser ältester Sohn an und bat uns, den Fernseher einzuschalten. Was wir sahen, war unbeschreiblich grausam. Was aber auch unglaublich war: Auf dem PC-Monitor war zeitgleich ein Foto vom World Trade Center zu sehen, das mein Mann drei Monate zuvor gemacht hatte.

Angenita Stock-de Jong und ihr Mann, Solingen

Der Flughafen wird sofort geräumt, die schon startbereiten Flugzeuge werden entladen. Alle Passagiere müssen ihr Gepäck wieder in Empfang nehmen. Anschließend werden rund 1500 Taxis zum Flughafen beordert, um die Fluggäste wieder in ihre Hotels zu bringen. Schon gegen 9 Uhr sind wir wieder in unserem Hotel angekommen, wo wir bis auf weiteres bleiben dürfen.

Die nächsten Tage sind nervenaufreibend, von Verunsicherung und Enttäuschungen geprägt. Der Empfehlung, sich bei den Fluggesellschaften zu informieren, konnten wir wegen hoffnungslos überlasteter Leitungen gar nicht nachkommen. In diesen Tagen wurde das Chaos erst richtig deutlich: Die Amerikaner standen unter Schock. Sie hatten nicht geglaubt, dass ihr Land so verwundbar sein könnte.

Nach tagelangen Vertröstungen ist unsere Fluggesellschaft zuversichtlich, uns „eventuell“, „falls nicht etwas Unvorhersehbares dazwischen kommt“, am 17. September via New York ausfliegen zu können. Beim Landeanflug auf New York sehen wir die noch immer rauchende Ruine des World Trade Centers. Eine Flugbegleiterin bricht in Tränen aus: Ihr Bruder, er war Feuerwehrmann, hatte in dieser Hölle neben fast 3000 weiteren Menschen den Tod gefunden.

Martina und Rolf Wunderlich, Meerbusch

In diesen Sekunden gehen einem tausend Dinge durch den Kopf: Brennt es? Ist in der Familie etwas passiert?

Aber was die Medien zeigten, konnte ich nicht glauben. War das wirklich Realität? Was passiert mit den Menschen? Wie ist das in Amerika möglich? Unglaublich bis heute!

Beate Stötzel, Solingen

Dieser gehört zu den Momenten, die ich nicht vergessen werde. Ich fuhr am Nachmittag in Krefeld stadtauswärts, schaltete das Radio ein und hörte, dass ein Flugzeug in einen Turm des World Trade Centers gejagt und ein zweites im Anflug sei. Angewidert runzelte ich die Stirn, weil ich annahm, das wäre so ein geschmackloser Abklatsch von Orson Welles’ „Krieg der Welten“. Aber dann merkte ich, dass es Realität war.

Ich raste nach Hause, warf mich im Mantel vor den Fernseher und sah mit Entsetzen kurze Zeit später, wie das zweite Flugzeug in den anderen Turm flog. Unfassbar, wie später die beiden Türme in sich zusammensackten.

Manchmal, wenn ich mit dem Wagen an der Stelle vorbeifahre, an der ich am 11. September 2001 das Radio anschaltete, kommt noch ein Widerhall des Grauens hoch.

Ute Scheffels, Krefeld

Am Abend erreichen wir ein Tal mit einer für diese Gegend doch üppigen Vegetation. Am Lagerfeuer rollen wir unsere Schlafsäcke aus. Morgen sollen dann unsere Fahrzeuge kommen und uns für weitere Wanderungen ins „Hohe Berge-Land“ zum Katharinen-Berg und zum Moses-Berg bringen. Ich bin mit einer Gruppe seit einer Woche auf der Sinai-Halbinsel, genauer gesagt im „El Tih — im Land der Verlorenen“, unterwegs. Moses soll hier, so die biblische Geschichte, mit seinem Volk 30 Jahre lang umher geirrt sein.

Die Fahrzeuge treffen pünktlich ein. Unsere Fahrer, Beduinen aus der Gegend, bringen Zeitungen mit. Und dann der Schock: Wir sehen Bilder von den eingestürzten Zwillingstürmen in New York und können nicht fassen, was über die Terroranschläge vom 11. September berichtet wird. Diesen Moment werde ich sicherlich nie vergessen.

Lothar Lindner, Kempen

Am 11. September 2001 befanden wir uns auf dem Rückflug von einer Urlaubsreise in der Türkei. Das Flugzeug rollte (ungefähr zur Zeit der Anschläge) zur Startbahn, blieb stehen, rollte zurück — Diskussion zwischen Pilot und dem Tower. Wir waren irritiert, aber ahnungslos.

Nach etwa 20 Minuten startete die Maschine dann doch. Die Bitte um einen Kaffee wurde von der Stewardess ziemlich schroff abgewiesen. Wieder Irritation, aber immer noch ahnungslos. Nach der Ankunft am Flughafen riefen wir einen Bekannten an, dieser sprach von „Krieg“, das machte uns aber auch nicht schlauer. Erst zu Hause erfuhren wir von den Anschlägen. Noch heute läuft mir bei dem Gedanken daran ein Schauer über den Rücken.

Roswitha Cohnen, Wuppertal

Am 11. September 2001 kam ich gerade aus einem Reisebüro nach Hause — mit Flugticket in die USA für meinen jüngeren Sohn Nik. Da erhielt ich einen Anruf von meiner Mutter. Sie war sehr aufgeregt und sagte, es sei etwas Schlimmes passiert, und ich solle sofort den Fernseher einschalten.

Zu diesem Zeitpunkt verbrachte mein älterer Sohn Ben, damals 16 Jahre alt, ein Austauschjahr in den USA. Er war gerade einmal zwei Wochen dort und hatte schon begeistert von seinen Erlebnissen berichtet. Er wollte unbedingt, dass sein jüngerer Bruder ihn besucht.

So stand ich nun vor dem Fernseher: die schrecklichen Bilder vor den Augen und in der Hand — die Tickets in die USA. So ohnmächtig und verletzbar wie in diesem Augenblick habe ich mich noch nie gefühlt.

In den folgenden Tagen trauerten wir wie Millionen Menschen weltweit um die Opfer des Anschlags und versuchten, das Unfassbare zu fassen. Dieses schreckliche Ereignis zeigte, wie angreifbar unser Leben ist. Gleichzeitig spürten wir aber, wie wichtig es ist, sich vom Terror nicht unterkriegen zu lassen.

Mein Sohn trat seine Reise wie geplant an. Und glücklicherweise ist dabei alles gut gegangen. Doch die schrecklichen Bilder vom 11. September werden uns noch lange in Erinnerung bleiben.

Ulrike Kletzl, Solingen

Ich schaltete sofort den Fernseher ein und gerade wurde gezeigt, wie das Flugzeug in den zweiten Turm flog. Ich habe dann alle anderen Gäste der Ferienanlage informiert, die sich überwiegend im Freien aufhielten. Die meisten habe ich erst am nächsten Morgen wieder gesehen. Das Entsetzen war groß.

Rudi Ingenlath, Krefeld

Im Jahr 2001 war ich bei den Vereinten Nationen im Kosovo beschäftigt. Um mit meiner Frau nach Kreta in den Urlaub zu starten, flog ich am 10. September von Pristina nach Hause. Unser Flug war für den 12. September gebucht. Am Tag der Anschläge hörte ich die Nachrichten im Auto, man sprach von einem Flugzeugabsturz in einen der Twin-Towers — genug, um sich ein Hölleninferno in diesem Mega-Arbeitsplatz vorzustellen.

Zu Hause schaltete ich den Fernseher ein. Was dann kam, ist längst Geschichte und hat mich sehr berührt. Insbesondere die vielen Kollegen aus den USA, mit denen ich im Kosovo zusammenarbeitete, beschäftigten mich in diesem Moment. Waren Bekannte oder gar Verwandte von ihnen unter den Opfern?

Ich rief sie an. Offenbar waren keine Bekannten betroffen — aber das Ereignis hatte eine lähmende Wirkung auf die US-Kollegen. Positiv habe ich zur Kenntnis genommen, dass sehr viele Kosovo-Albaner spontan auf die Straße gingen und den Opfern der Anschläge gedachten.

Nichtsdestotrotz stand am nächsten Tag unser Flug nach Kreta auf dem Programm. Teilweise geäußertes Unverständnis — „wie könnt ihr denn jetzt in einen Flieger steigen?“ — hielt uns nicht davon ab. Die Abfertigung am Flughafen verlief wie üblich. Ganz anders war es beim Rückflug, als das griechische Sicherheitspersonal tonnenweise Nagelfeilen einsammelte.

Als ich wieder zurück in den Kosovo flog, erlebte ich veränderte Menschen — egal, woher sie kamen.

In meiner Pension angekommen, schaltete ich sofort den Fernseher ein, und ich wurde mit der grausamen Wirklichkeit konfrontiert. Die Fassungslosigkeit, die mich befiel, kann ich mit Worten nicht beschreiben.

Brigitte Orlich, Wuppertal

Am 31. August 2001 erfüllten mein Mann und ich uns einen lang gehegten Wunsch: Wir flogen in die Südsee — von Düsseldorf über Paris und Los Angeles nach Papeete, der Hauptstadt Tahitis. Weiter ging es nach Moorea, Huahine und Bora Bora. Wir verlebten wunderbare Tage in einer für uns anderen Welt.

Am 13. September sollte unser Rückflug ab Papeete sein. Als wir uns tags zuvor an der Rezeption den Abflug bestätigen lassen wollten, fielen wir aus allen Wolken, und Entsetzen packte uns, als wir von den Terroranschlägen in New York hörten. Die letzten Tage hatten wir mit Besichtigungen und Einkäufen verbracht, die Medien hatten wir nicht verfolgt. Die Insel, das Meer und die Menschen waren für uns viel zu interessant.

Alle Flüge waren gestrichen. Was nun? Wir riefen zunächst zu Hause an und informierten uns erst einmal über alle Einzelheiten aus den USA. Da wir Einzelreisende waren, hatten wir keinen Reiseleiter, der uns hätte beraten können. Der einzige Ort, an dem wir Informationen zu unserem Rückflug erhalten konnten, war das Touristenbüro der Air France in Papeete. Dort standen schon mehr als 100 Menschen aus aller Herren Länder an und warteten auf Informationen. Am 13. September flog die letzte Maschine über Osaka nach Paris — wir gehörten nicht zu den Glücklichen, die mitdurften.

Die Air France zeigte sich allerdings großzügig. Wir mussten zwar in ein anderes Hotel ziehen, die Kosten übernahm jedoch die Fluggesellschaft. Von nun an gingen wir jeden Tag ins Büro, um zu erfahren, wann wir fliegen können. Eine ganze Woche lebten wir in dieser Ungewissheit — über TV und Zeitungen dort war auch nicht mehr zu erfahren.

Am 20. September war es endlich soweit: Unser Flug ging über Tokio, Sibirien und Paris nach Hause.

Ursula Wolff, Solingen