Wahlkampf: Die Agenda 2020 des SPD-Kandidaten
Frank-Walter Steinmeier will mit seinem „Deutschland-Plan“ in die Offensive kommen: Von heute an wirbt er in ganz Deutschland für sein Programm.
Berlin. Billig ist er nicht, der "Bärensaal" im Alten Stadthaus von Berlin. Allein die Tagesmiete schlägt mit 4500 Euro zu Buche. Aber trotzdem ist das für einen Kanzlerkandidaten natürlich ein wunderbarer Platz, um eine bedeutende Rede zu halten. Nicht nur wegen der geschichtsträchtigen Umgebung - zum Beispiel wurde hier der deutsch-deutsche Einigungsvertrag ausgehandelt. Auch wegen der vielen klugen altdeutschen Sprüche an der Wand, von denen sich einer besonders gut für die nächsten acht Wochen eignet: "Wer viel geredet und hält nicht, der ist wie Wolken und Wind ohne Regen."
Hier also trägt Frank-Walter Steinmeier am frühen Montagabend vor ausgewähltem Kreis seinen "Deutschland-Plan" vor. Nicht weniger als vier Millionen neue Arbeitsplätze verspricht der SPD-Mann bis zum Jahr 2020, falls er allen Umfragen zum Trotz nach dem 27.September doch noch zum Kanzler gewählt werden sollte. Zwei Millionen Jobs sollen in der Industrie entstehen, eine Million im Gesundheitssektor, 500 000 im Kultur- und Medienbetrieb und noch einmal 500000 in anderen Bereichen wie Handel und Tourismus. Das Wachstum dazu soll vor allem aus "grünen Technologien" kommen.
Von der Unterteilung der Branchen nach alt und modern hält Steinmeier aber nicht viel. Als Außenminister hat er immer wieder erfahren, wie hoch "Made in Germany" anderswo immer noch im Kurs steht. Industrie und Produktion seien weiterhin das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. "Ich will einen Fortschritt, der gute Arbeit, sozialen Ausgleich und ökologische Erneuerung umfasst", sagt Steinmeier, als er den "Deutschland-Plan" vorab in kleinerem Kreis erläutert. "Wir müssen aus dem Krisengerede herauskommen. Wir brauchen einen Perspektivwechsel."
In dem 67-Seiten-Papier (Offizieller Titel: "Die Arbeit für morgen - Politik für das nächste Jahrzehnt") finden sich noch eine ganze Reihe von anderen Vorschlägen, die ein Kanzler Steinmeier verwirklichen will. Das reicht von der sofortigen Einberufung eines staatlichen "Kredit-Vermittlers" für den Mittelstand über die Gründung einer eigenen "Software-Hochschule" bis hin zum Aufbau eines bundesweiten Verkehrs-Leitsystems. Letzte Zielmarke ist auch hier das Jahr 2020. Von einer "Agenda 2020" will im Lager des "Agenda-2010"-Miterfinders aber niemand etwas wissen.
Bei der politischen Konkurrenz kommt das Papier erwartungsgemäß schlecht an. Beim Koalitionspartner Union werden die Steinmeier-Vorschläge als unseriöse Wahlversprechen aus "Fantasialand" abgetan, die nach "sozialistischer Planwirtschaftsmanier" erstellt worden seien. Kritik gibt es auch von FDP und Linkspartei. Allein die Grünen loben das Konzept - auch wenn sie sich darüber beklagen, dass der SPD-Kandidat ziemlich bei ihnen abgekupfert habe.
Mit dem Konzept geht Steinmeier nun auf "Deutschland-Reise", um das vielfach ungeliebte Wort Wahlkampf zu vermeiden. Auftakt wird heute Nordrhein-Westfalen sein. Alles in allem will der Herausforderer von Angela Merkel den August über in 14 von 16Bundesländern Station machen, um für seine Vorstellungen zu werben. Auch wenn die Aussichten, die Ideen demnächst als Kanzler auch umsetzen zu können, nicht besonders gut sind.