WerteUnion: Das Aufständchen

Ein Jahr nach ihrer Gründung hat die „WerteUnion“ von CDU-Rebellen ein Papier beschlossen, das als konservatives Manifest kaum taugt.

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Schwetzingen. Natürlich konnte das Jahrestreffen der „Werte-Union“ nicht ohne ein Grußwort des Bundesministers für Dauerkommentierung stattfinden: Die Konservativen seien „Anwälte der Unterschiede“, so Jens Spahn (CDU) schriftlich. Applaus der 70 Teilnehmer gab es auch für seinen Ansporn: „Wenn wir reden und handeln in einer Haltung, die breite, sich bürgerlich fühlende Schichten zuletzt oft schmerzlich vermisst haben, dann können wir die AfD überflüssig machen.“

Das würde den konservativen CDU-Rebellen um Alexander Mitsch wohl gefallen. Vor einem Jahr gründete der 50 Jahre alten Diplom-Kaufmann aus Heidelberg die „WerteUnion“, die sich in ihrem neuen „Konservativen Manifest“ selbst so beschreibt: „Die WerteUnion tritt für eine inhaltliche und personelle Erneuerung von CDU und CSU auf christlich-konservativer und marktwirtschaftlicher Basis ein. Unsere Leitbilder sind die Grundsatzpositionen der CDU/CSU und das christliche Menschenbild. Wir wollen, dass sich die Union wieder auf ihre Grundwerte besinnt und unsere auf dem Christentum fußenden Überzeugungen im politischen Alltag umsetzt. Hierzu zählen vor allem Fragen des Lebensrechts, der Familie und der Würde des Menschen. Unser Bestreben gilt dabei auch der Bewahrung von Gottes Schöpfung.“

Wie viele CDU-Mitglieder dieses „wir“ verkörpern, ist bislang unklar. Gegenüber Medien bezifferte der Vorsitzende ihre Zahl bisher als „vierstellig“. Das beeindruckt die CDU und ihre Bundesvorsitzende bislang wenig — was bei rund 460 000 Parteimitgliedern verständlich ist. Zumal die erste Aufstandsprobe — die Abstimmung über den Koalitionsvertrag auf dem CDU-Parteitag im Februar in Berlin — krachend scheiterte. Während Mitsch davon ausging, bis zu einem Viertel der Delegierten könne die gemeinsame Regierungsbasis mit der SPD zurückweisen, lehnten nur 27 Stimmberechtigte den Koalitionsvertrag ab. 948 stimmten für ihn.

Für Alexander Mitsch kein Beinbruch, wie er dieser Zeitung anschließend sagte: „Wir werden weiter arbeiten. Wir wussten von Anfang an, dass das ein Marathon ist. Aber es ist auch beim letzten Delegierten angekommen, dass die Konservativen in der Union nicht ignoriert werden dürfen.“

Nun also das „Konservative Manifest“, dessen Kernpunkte Mitsch gegenüber Medien vor dem Beschluss so zusammenfasste: keine „ungesteuerte Zuwanderung“, eine Wiedereinführung der Wehrpflicht und eine Rückkehr zum „klassischen Familienbild“ aus „Mann, Frau, Kindern“, die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft. Im Detail liest sich das Papier mehr wie ein „Aufständchen“ als ein Manifest.

Das „christliche Menschenbild“ der WerteUnion steht offenbar vor allem in Opposition zum Islam: „Wir fordern insbesondere eine kritische Auseinandersetzung mit dem Islam. Anders als andere Religionen weist der Islam eine Doppelnatur auf: Er ist nicht nur Religion, sondern zugleich politische Ideologie mit Allmachtsanspruch. Um ein Miteinander anstatt nur eines Nebeneinanders mit Muslimen zu erreichen, genügt es nicht, sie auf das Grundgesetz zu verpflichten. Die meisten Regeln unseres Zusammenlebens sind nicht rechtlich, sondern nur kulturell abgesichert. Hier müssen die Muslime auf die Mehrheitsgesellschaft zugehen und sich assimilieren.“

Das geht noch über das Grundsatzprogramm der CSU hinaus, in dem es heißt: „Der Politische Islam gehört nicht zu Deutschland. Wer unserer Werte- und Rechtsordnung nicht folgt, wer die christliche Prägung unseres Landes ablehnt, wer die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau nicht akzeptiert und wer unsere offene Gesellschaft umbauen will, der hat bei uns keinen Platz. Der Islam muss sich in unsere Ordnung einfügen. Er kann keine kulturelle Dominanz beanspruchen. Wir begleiten die Entwicklung eines aufgeklärten, europäischen Islam, der sich auf unserer Wertebasis gründet.“ Auch in Sachen „Zuwanderung“ unterfliegt die „WerteUnion“ die bei der CSU immer wieder ins Spiel gebrachte „Obergrenze“ von 200 000 Menschen.

Dazu heißt es im „Konservativen Manifest“, als dicht besiedeltes Industrieland sei Deutschland ungeeignet zur Aufnahme von Asylbewerbern und Flüchtlingen: „Ihre Aufnahme ist auch ethisch unvertretbar, denn sie ist viel aufwändiger als die Unterbringung im sicheren Ausland. Da Deutschlands Mittel begrenzt sind, ist es ein moralisches Gebot, sie so effizient einzusetzen, dass möglichst vielen Menschen geholfen wird und nicht nur denen, die es zufällig bis in unser Land schaffen. Asylbewerber und Flüchtlinge sollen daher mit deutscher Unterstützung in ihrer Heimat oder heimatnah geschützt werden. Eine Aufnahme in Deutschland soll nur subsidiär und bis zu einer Obergrenze von 50 000 Personen im Jahr zulässig sein.“

Von der Wiedereinführung der Wehrpflicht sind die CDU-Rebellen wieder abgerückt. Nun heißt es lediglich: Im Zusammenhang mit der Zielvorgabe, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Landesverteidigung zu investieren, „ist die Wiedereinführung der Wehrpflicht zu prüfen“.

Beschlossen ist dagegen das Leitbild „Vater, Mutter, Kinder“ als elementarer Grundpfeiler der Gesellschaft. Das Problem: Dieses Familienbild ist mit der Realität kaum in Einklang zu bringen. Die Zahl der Familien in Deutschland ging seit 1996 von 13,15 auf 11,58 Millionen 2016 zurück. Familie im Sinne der Bundesstatistik bedeutet: alle Eltern-Kind-Gemeinschaften. Das umfasst Ehepaare, nichteheliche Gemeinschaften, aber auch Alleinerziehende, hinzukommen Stief-, Pflege- und Adoptivkinder. 1996 entsprachen immerhin noch 57 Prozent der Familien den Vorstellungen der „WerteUnion“: Mann, Frau, Kinder; verheiratet. 2013 rutschte der Anteil jedoch unter 49 Prozent. Von der Norm kann daher keine Rede mehr sein. Politik an der Realität von mehr als der Hälfte der Bevölkerung vorbei zu machen, entspricht kaum noch der Definition einer Volkspartei.