Haus Meseberg: Aus Bundeskabinett soll Arbeitsteam werden

Kanzlerin Merkel bittet ihr Kabinett zur Klausur. Es geht auch um das schwarz-rote Miteinander. Eine Art Kollektiv-Therapie im „Zauberschloss“.

Foto: dpa

Berlin. Ein paar schöne Bilder und Anekdoten wird das Treffen bestimmt wieder hergeben. Von den Kamingesprächen, von den Spaziergängen am angrenzenden Huwenowsee, oder aber von der gemeinsamen Nacht bei gutem Essen und vorzüglichem Wein. Einen Monat nach dem Start ihres neuen Kabinetts bittet Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Minister zur ersten schwarz-roten Kollektiv-Therapie ins Gästehaus der Bundesregierung nach Meseberg, rund 70 Kilometer nördlich von Berlin.

„Lassen wir Meseberg doch einfach mal stattfinden“, warb Merkels Regierungssprecher Steffen Seibert für Gelassenheit. „Besonders dringliche Vorhaben“ wolle man an diesem Dienstag und Mittwoch „in Ruhe“ besprechen, so Seibert. Das ist das eine. Das andere ist jedoch: Die Minister sollen sich besser kennenlernen, sollen Vertrauen zueinander aufbauen und sich menschlich und politisch näherkommen. Eine Art Teambuilding-Seminar, welches die Kanzlerin noch jeder der vier von ihr geführten Koalitionen verordnet hat.

Nach den Geburtsschwierigkeiten der neuen GroKo tut Merkel gut daran, auch diesmal nicht auf die Klausur zu verzichten. Zumal die Koalitionäre in den ersten vier Wochen ihrer Zusammenarbeit vor allem mit strittigen Diskussionen und weniger mit Sacharbeit von sich reden gemacht haben. Gehört der Islam zu Deutschland, reicht Hartz IV zum Leben? Wie weiter beim Familiennachzug für Flüchtlinge, was tun gegen die Dieselkrise? Und welche Haltung will man in der Russland- und Syrienpolitik künftig einnehmen?

Das sind Fragen, die gleich erste Risse innerhalb der Koalition offengelegt haben. Manch einer spricht sogar schon von einem „schwarz-roten Fehlstart“. Die Kanzlerin wird zusammen mit ihrem Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) daher wohl die Zügel anziehen müssen, auch, um das Schaulaufen einiger Unruhestifter wie Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) oder Innenminister Horst Seehofer (CSU) einzudämmen.

Also rauschen an diesem Dienstag wieder die schweren, schwarzen Regierungslimousinen durch Brandenburg in Richtung Meseberg. Das Barockschloss, 1736 erbaut und idyllisch gelegen, ist das offizielle Gästehaus der Bundesregierung — es beherbergte bereits prominente Besucher wie US-Präsident George W. Bush oder den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko.

Der Bund hat das „Zauberschloss“, wie es der Dichter Theodor Fontane mal genannt hat, für den symbolischen Preis von einem Euro gemietet. Er zahlt allerdings für Betrieb und Unterhalt geschätzte 450.000 Euro pro Jahr. Angela Merkel mag diesen Ort, ihrer Ansicht nach lässt sich dort entspannter und kollegialer arbeiten als in ihrem Berliner Betonklotz, dem riesigen Kanzleramt.

Geladen hat Merkel alle 15 Bundesminister, Platz ist für jeden da. Die Schlafzimmer befinden sich im ersten Stock, wo streng auf die Privatsphäre geachtet wird, damit nichts nach außen dringt. Beginn ist um 13 Uhr, Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer und DGB-Chef Reiner Hoffmann sind die ersten externen Gäste, mit denen laut der unserer Redaktion vorliegenden Tagesordnung über den „Weg zur Vollbeschäftigung“ diskutiert werden soll.

Am späten Nachmittag folgt Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, der ein 30minütiges Impulsreferat zur Zukunft der Nato, zur aktuellen Sicherheitslage und zum Erreichen des Zwei-Prozent-Ziels bei den Verteidigungsausgaben halten wird. Am Abend wird das Kabinett dann mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker über „die Rolle der EU in der Welt“ beraten. Getagt wird im Gartensaal des Schlosses mit tollem Blick auf den See. Da es am Dienstagabend sehr spät werden könnte, dürfte kein Teilnehmer noch nach Berlin zurückfahren.

Am Mittwochmorgen findet zunächst die reguläre Kabinettssitzung statt, anschließend wird laut Tagesordnung über die Haushalte 2018 und 2019 debattiert, dann über den Schutz der EU-Binnengrenzen sowie über die Dieselkrise. Nicht alles werde in Meseberg „besprochen und gelöst werden können“, so Seibert. Gegen Mittag wollen Merkel und Scholz die Presse über die Ergebnisse unterrichten.

Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, wie das Urteil der beiden über die Klausur ausfallen wird: inhaltlich nützlich, atmosphärisch hilfreich. Gleichwohl wurde schon oft „der Geist von Meseberg“ beschworen, nur hat sich der dann meist wieder sehr schnell verflüchtigt. Die Wahrscheinlichkeit, dass es auch diesmal so kommt, ist groß - weil für alle drei Parteien die neue GroKo nicht mehr als eine Art Zwangsehe ist.