Wie lange laufen die Atommeiler wirklich?

Ältere Akw sollen 2011 vom Netz, jüngere sollen länger produzieren. Alles Spekulation, heißt es.

Berlin. Beim Kraftwerkshersteller Siemens haben sie alle Szenarien in der Schublade: Anteil der Energieerzeugung in Deutschland aus Erneuerbaren Energien wahlweise bei 35, 45 oder 55 Prozent.

Dazu kommt, je nach Szenario, ein moderater oder verstärkter Ausbau der installierten Leistung aus Sonne, Wind, Wasser und Biomasse. Drei Szenarien sehen den Ausstieg aus der Atomkraft vor, zwei weitere zusätzliche Laufzeiten von 28 Jahren für die Atommeiler in Deutschland. Immer dabei: der Bau von Gas- und Dampfkraftwerken, mit dem Siemens Geld verdient.

Die Atomlaufzeiten nur zu verlängern, sei "kontraproduktiv", meint ein Siemens-Manager. Mit Wind und Sonne allein sei der Energiehunger der Republik aber auch nicht zu decken. Also brauche es dazu Gas plus Kraftwerk.

Ende August werden sich nun die zuständigen Bundesminister über die Papiere beugen, auf denen unterschiedliche Energieszenarien aufgeschrieben sind.

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) hatte die eigene Partei wie auch die Partner in der Koalition aufgeschreckt, als er vor Monaten ansprach, die Union müsse "gut überlegen, ob sie gerade die Kernenergie zu einem Alleinstellungsmerkmal machen will".

Und: "In dem Augenblick, in dem wir den 40-Prozent-Anteil der Erneuerbaren Energie an der Stromversorgung in Deutschland haben, gibt es keine Notwendigkeit mehr für Kernenergie." Aktuell ist der Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung bei 16 Prozent, bei der Kernkraft sind es 23 Prozent.

Röttgen bekommt wegen seines distanzierten Atomkurses den Widerstand in der eigenen Partei zu spüren. Dabei will er sich gar nicht als Mann des (Atom-)Ausstiegs, sondern als Freund des Einstiegs in die Erneuerbaren positionieren.

Doch es gibt inzwischen prominente Unterstützung aus der Union. Am Wochenende erst sprach sich Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister dagegen aus, Atommeiler so lange weiter zu betreiben, wie dies technisch möglich sei. Und auch Schleswig-Holsteins FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki forderte abermals, auf längere Atomlaufzeiten zu verzichten.

Unterdessen arbeiten Wissenschaftler an einem Kompromiss. Laut der "Süddeutschen Zeitung" deutet sich an, dass "zwei oder drei" ältere Reaktoren bereits 2011 vom Netz gehen könnten, neuere Kraftwerke dafür aber deutlich länger Atomstrom produzieren.

Schon nach dem geltenden Atomgesetz können Energieversorger Laufzeiten von älteren auf jüngere Anlagen übertragen. Ein gigantischer Austausch von Strommengen unter den Betreibern könnte die Folge sein.

Ein Sprecher des Umweltministeriums sprach von "Spekulationen im Sommerloch".