Problem ungelöst: NHL-Topthema Gehirnerschütterung

Berlin (dpa) - Die Sensibilisierung begann mit Sidney Crosby. Als der kanadische Eishockey-Superstar monatelang mit Gehirnerschütterung ausfiel, verschärfte die NHL ihre Strafen für harte Checks gegen den Kopf.

Lange Sperren für Übeltäter wurden eingeführt.

Noch im November wurden Zahlen veröffentlicht, die einen signifikanten Rückgang von schweren Kopfverletzungen dokumentieren sollten. Die Statistik wurde aber bald über den Haufen geworfen, denn in der nordamerikanischen Eliteliga sind wieder alle Augen auf die Verletztenliste gerichtet - fast mehr denn auf die Tabelle.

Am Montag meldete sich Crosby drei Wochen nach dem Comeback wieder ab, der Kapitän der Pittsburgh Penguins spüre immer noch die Folgen seiner Verletzung vom Januar. Einen Tag später wurde der derzeit beste NHL-Scorer Claude Giroux von den Philadelphia Flyers vom Knie eines Mitspielers am Kopf getroffen und fehlt auf unbestimmte Zeit.

Am Mittwoch meldeten die Carolina Hurricanes, dass Jeff Skinner - im Vorjahr zum besten Neuling der Liga gewählt - wegen einer Gehirnerschütterung länger ausfällt. „Fast scheint es so, als erwische es jede Nacht einen neuen Spieler“, meinte NHL-Legende Jeremy Roenick. Ein Schicksal, das Marcel Goc nur zu gut kennt.

Am 15. November prallte der deutsche Nationalspieler in Diensten der Florida Panther mit einem Gegenspieler zusammen - seitdem ist zur Zwangspause verdammt. „Ich darf immer noch nichts machen, das ist frustrierend“, sagte Goc der Nachrichtenagentur dpa und erzählte von der folgenschweren Szene gegen die Dallas Stars.

„Das war gar kein richtiger Check, ich bin einfach mit meinem Gegenspieler zusammengerauscht. Es war eine dumme Situation. Ich habe zu Ende gespielt, mir ging es auch ganz gut. Nach der Partie habe ich mich aber irgendwie komisch gefühlt. Wir sind dann zum nächsten Spiel nach St. Louis geflogen, und am nächsten Morgen hatte ich Kopfschmerzen. Deshalb bin ich zu unserem Teamarzt, er hat einen Gleichgewichts-Test gemacht und gesagt: "Du spielst heute nicht."“

Nach dem Fall Crosby war man offenbar vorsichtiger geworden - der Kanadier war trotz Verdachts auf Gehirnerschütterung aufgelaufen und erneut schwer gecheckt worden. Seine lange Leidenszeit begann. Schon allein deshalb darf Marcel Goc derzeit keinen Sport betreiben, noch nicht einmal joggen. „Generell fühle ich mich wohl, muss aber Geduld haben und einfach versuchen, nicht zu frustriert zu werden.“

Der 28-Jährige ist einer von derzeit mehr als zwei Dutzend Profis der NHL, die wegen Kopfverletzungen ausfallen. Genaue Zahlen sind schwer zu ermitteln, weil viele Vereine um das Wort „concussion“ (Gehirnerschütterung) einen großen Bogen machen. Auch bei Goc wurde lange von einer „upper body injury“ berichtet, einer Oberkörperverletzung.

Ein Grund für die Geheimniskrämerei ist, dass in Zukunft gezielte Checks - etwa gegen den Kopf - vermieden werden sollen. Besonderen Schutz genießen Profis bei ihrer Rückkehr aufs Eis nicht. Selbst Crosby als bester Spieler der Liga wurde Ende November bei seinem Comeback zum Teil attackiert, als sei er nie weggewesen.

Nun bangt man aber sogar um Crosbys Karriere. „Er hat halt die Aufmerksamkeit der Medien und deshalb reden auch die Leute drüber“, meinte Goc. Vielleicht ist das die einzig positive Konsequenz der schweren Kopfverletzungen von Crosby, Giroux, Skinner, Goc und Co.